fpg232 – Manipulieren oder überzeugen Sie? Interview mit Wladislaw Jachtchenko
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Heute sprechen wir über Rhetorik. Es geht um den Unterschied zwischen Manipulieren und Überzeugen. Wir sprechen über typische Manipulations-Tricks im Alltag und Beruf aber auch wie man am Besten mit persönlichen Angriffen umgeht.
Wladislaw Jachtchenko
Für dieses Thema habe ich Wladislaw Jachtchenko im Interview. Er ist mehrfach ausgezeichneter Experte und Speaker in Europa.
Er hält Vorträge, trainiert und coacht Politiker und Führungskräfte rund um das Thema Rhetorik, effektive Überzeugung und erfolgreiches Verhandeln.
Wlad hat auch einen Youtube Kanal und einen eigenen Podcast: Menschen überzeugen. Dort spricht er über Rhetorik, Kommunikation & Persönlichkeitsentwicklung.
Besonders spannend finde ich seine Interviews, weil er mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten spricht – und zwar über deren Themen, aber auch über deren Art und Einschätzung von Rhetorik.
Darunter sind Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen aber auch Politiker fast aller Couleur, also von CDU, SPD, FDP, Grünen wie auch den Linken.
Unterschied zwischen Manipulieren und Überzeugen
In meinem heutigen Interview möchte ich gerne von ihm wissen, wie er den Unterschied zwischen Manipulation und Überzeugen definiert.
Wir sprechen über typische rhetorische Tricks im Alltag – wie sie übrigens von beiden Seiten eingesetzt werden: Führungskräfte wie auch Mitarbeiter – und wie wir uns am Besten in Konfliktsituationen verhalten und da beispielsweise mit persönlichen Angriffen umgehen sollten.
Freuen Sie sich auf mein Gespräch mit Wladislaw Jachtchenko:
Weiterführende Links
- Podcast MENSCHEN ÜBERZEUGEN
- E-Book „Weiße Rhetorik“ (kostenfrei)
- Buch “Schwarze Rhetorik”
- Wlad’s Website:
- Erwähnte Folge zur Gewaltfreien Kommunikation:
https://argumentorik.podbean.com/e/55-gewaltfreie-kommunikation/ - Erwähnte Folge zu Schlagfertigkeit:
https://podcasts.apple.com/au/podcast/17-schlagfertigkeit-verbessern-nie-wieder-sprachlos/id1449496794?i=1000432274085
Transkribiertes Interview mit Wladislaw Jachtchenko
Geropp:
Wlad, was ist denn der Unterschied zwischen schwarzer und weißer Rhetorik, die du ja auch in deinem Buch beschreibst und auch auf deinem YouTube Kanal?
Und wie definierst du den Unterschied zwischen beeinflussen und manipulieren?
Jachtchenko:
Ja, also Bernd, ich fange einmal mit der ersten Frage an, schwarze und weiße Rhetorik. Schwarze Rhetorik ist die Kunst der Manipulation, das heißt, ich versuche, jemanden zu überzeugen, ohne, dass er merkt, dass ich bestimmte Techniken anwende.
Also letztlich ist schwarze Rhetorik Einsatz von bestimmten Manipulationstechniken, die am besten, ja, nicht gesehen, nicht bemerkt werden, weil sie dann am besten funktionieren. Und die weiße Rhetorik, das ist wirklich die Kunst des Überzeugens mit dem besseren Argument. Also da versuche ich wirklich, rationale Gründe, Beispiele anzugeben, wo der andere wirklich also vernünftig ohne jegliche Tricks überzeugt werden soll.
Und die weiße Rhetorik ist viel schwieriger zu meistern, das heißt, dieses Argumentieren, das sehe ich auch in meinen Argumentationstrainings, das fällt den Menschen wirklich schwer, wenn man sagt
„Du hast jetzt eine These, und diese These, versuche die einmal richtig zu begründen, ohne irgendwelche Autoritätsargumente oder Scheinargumente zu nutzen.“
Das fällt den Menschen schwer. Und die schwarze Rhetorik, die funktioniert halt so leicht, weil du hast halt irgendeinen Trick und dann funktioniert der und der andere nickt und du denkst dir
„Super, habe ich geschafft.“
Also insofern: Schwarze ist fieser und leichter, und die weiße ist ethisch viel besser, aber leider schwierig anzuwenden im Alltag.
Geropp:
Da würde ich gerne einmal kurz einhaken: Wenn ich jemanden überzeuge, also weiße Rhetorik anwende, gehe ich ja teilweise trotzdem sehr auf Emotionen ein. Ist da nicht eine Grauzone zur schwarzen Rhetorik für dich?
Jachtchenko:
Auf jeden Fall. Also es gibt da quasi das Grundbuch für alle Rhetoriker, das ist von Aristoteles, und der hat das auch „Rhetorik“ genannt. Also das ist quasi das wichtigste Buch, wenn sich jemand wissenschaftlich damit beschäftigt. Und Aristoteles hat gesagt, dass man Emotionen hervorrufen sollte als Redner und natürlich auch als Dialogpartner.
Und die Frage ist jetzt, ob man die Emotionen hervorruft, die authentisch sind und zum Thema passen und angemessen sind, oder Leute zum Beispiel mit Angstargumenten in eine Ecke treiben will und jemand aus Angst kauft oder jemand aus Gefahr und Drohung den Vertrag unterschreibt.
Und das wäre dann eben das Schwarze. Insofern sind Informationen manchmal passend. Also beispielsweise wenn jemand gestorben ist oder wenn das Unternehmen Pleite geht, dann ist es ja klar, dass die Trauer einfach ein authentisches Gefühl wäre.
Aber wenn ich plötzlich und unerwartet Trauer überkommen lasse, weil ich leider keine Gehaltserhöhung geben kann an meinen Mitarbeiter, in Wirklichkeit geht es dem Unternehmen prächtig, aber ich sage „Ja, wieder, dem Unternehmen geht es halt sehr, sehr schlecht, und da kann ich Ihnen dieses Jahr leider keine … dann ist die Emotion/
Geropp:
„Da kann man nichts machen.“
Jachtchenko:
Ja, ja. Dann ist die Emotion manipulativ. Und insoweit ist das mit den Emotionen so ein zweifaches Ding. Sie können authentisch sein, sie können aber auch konstruiert sein.
Geropp:
Also ich finde das dann schwierig, wenn man zum Beispiel einen Change Prozess hat, weil du kennst das ja: Wenn ich eine Veränderung haben will, muss der Schmerz ja eine gewisse Größe haben, oder das Bild, wo ich hin will, muss extrem groß sein, am besten beides, sonst/ egal, ob das eine Gruppe ist, ob das Mitarbeiter sind, ob ich selbst oder du das sind, wir verändern uns sonst nicht, wenn wir nicht diese „Weg von, hin zu“-Motivation haben.
Und jetzt kann ich natürlich/ weil ich ein guter Mensch bin, versuche ich, es trotzdem moralisch zu machen, und trotzdem kann ich ja den Schmerz etwas überzeichnen. Würdest du das dann noch als weiße oder als schwarze Rhetorik sehen? Also wo beginnt das Unmoralische? Wo beginnt das Manipulieren?
Jachtchenko:
Also ich glaube, das Unmoralische, das ist relativ einfach zu definieren, das beginnt immer dort, wo ich dem anderen Schaden zufüge. Das kann man sich sehr gut merken. Also immer dann, wenn der andere bewusst oder fahrlässig geschädigt wird, ist das unmoralisch.
Wenn es für den anderen eine neutrale Auswirkung hat/ also zum Beispiel beim Change Prozess, eine Führungskraft möchte einen Change bewerkstelligen, und die Führungskraft glaubt ehrlich daran, dass mit dem Change das Unternehmen sogar wachsen wird, und überzeichnet dann den Schmerz oder überzeichnet vielleicht die Vorteile des Changes, ist aber selber davon überzeugt, dann ist es moralisch, weil am Ende des Tages soll der Change ja allen Mitarbeitern auch zu Gute kommen, weil dem Unternehmen es besser geht.
Wenn ich aber den Change positiv darstelle, aber in Wirklichkeit als Führungskraft weiß
„Wenn es dem Unternehmen besser geht, ich werde zehn Leute feuern.“
dann ist das natürlich manipulativ, weil dann benutze ich die Überzeichnung, um zu lügen und zu betrügen und anschließend den Menschen einfach zu kündigen.
Geropp:
Jetzt gibt es ja auch noch andere Leute. Also das sind jetzt die Hardcore schwarzen Rhetoriker. Jetzt gibt es aber auch noch Menschen, die – manchmal ist das sogar faszinierend – das sind sogenannte Blender, also die von nichts eine Ahnung haben.
Manchmal habe ich das Gefühl, in der Politik laufen viele so rum: Keine Ahnung von nichts, die treten aber unheimlich sicher auf, strahlen eine Souveränität aus mit dem, was sie sagen, keine Ahnung, und trotzdem fallen so viele Leute – ich bin da auch schon mehrfach reingefallen – auf so Leute rein und erkennen erst viel später „Ey, das war ein Blender.“ Was würdest du sagen, was für Tipps gibt es, um solche Leute auch gerade im Beruflichen viel schneller zu erkennen?
Jachtchenko:
Also der wichtigste Tipp ist, auf den Inhalt des Gesagten zu achten. Es klingt sehr einfach, aber wir lassen uns, wie du auch richtig sagst, einfach von Blendern deswegen manipulieren, weil sie so souverän auftreten.
Und bei uns Menschen gehen dann so Sicherheitsalarme erst dann ein, wenn die Körpersprache unsicher ist, wenn die Stimme ein bisschen wackelt. Dann werden wir aufmerksam. Aber wenn jemand wie Donald Trump ganz souverän sagt
„I’m gonna build a Wall and the Mexicans are gonna pay for it.”
und das sagt er in einem hundertprozentigen Selbstbewusstsein ohne einen Hauch von Zweifel, dann fallen wir Menschen leider auf sichere Körpersprache und sichere Stimme drauf rein und achten nicht auf den Inhalt „Ja, wie soll das denn funktionieren?
Wie kann ein souveräner Staat einen anderen zwingen, für etwas zu bezahlen?“ Aber das, darauf achten wir nicht. Und interessanterweise lassen sich Menschen auch vor allem bei mir rhetorisch schulen und selten argumentativ.
Also ich habe quasi ein Argumentationstraining auf der Webseite und ein Rhetoriktraining, und eins wird über fünfzig Mal im Jahr gebucht und das andere zwei-, dreimal im Jahr gebucht. Das heißt, die Menschen wissen
„Mit Rhetorik und diesem Scheinselbstbewusstsein kann ich viel mehr beeinflussen.“
und deswegen buchen sie die Rhetoriktrainings.
Geropp:
Sag einmal: Ist das nicht frustrierend für dich?
Jachtchenko:
Auf jeden Fall. Also ich bin der große Fan vom Argumentieren, ich komme selber aus der Debattierwelt, wo wir auf Europa- und Weltmeisterschaften mit meinem Team um bessere Argumente gekämpft haben. Es war auf jeden Fall etwas frustrierend, zu sehen, dass in der echten Welt die Argumente kaum bis gar keine Rolle spielen, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft.
Wenn ich einen CEO coache, dann geht es darum, sicher aufzutreten. Und keiner fragt „Ist das Argument stichhaltig?“, sondern die Leute fragen „War meine Körpersprache überzeugend? Wie kann ich meine Stimme verbessern? Und was mache ich bei dieser und jener Zwischenfrage, damit es souverän aussieht?“
Und insofern ist es schon ein bisschen deprimierend für mich als Argumentationsfan. Aber andererseits: Du und ich müssen wir uns auch ein bisschen an den Markt anpassen. Und wenn ich nur Argumentationstrainings geben würde, dann könnte ich gar nicht über die Runden kommen, und mit Rhetorik geht das halt sehr gut.
Geropp:
Was glaubst du, woran lieg das? Liegt das daran, wie du vorhin sagtest, dass es einfacher ist? Oder dass die Leute automatisch davon ausgehen
„Ja, ich bin ja ein Guter, ich habe die Argumente mir schon vorher überlegt, damit brauche ich jetzt gar nicht anzufangen, ich gehe da einfach davon aus, dass das richtig ist.“?
Jachtchenko:
Auf jeden Fall also das zweite, was du gesagt hast. Es gibt in der Psychologie so einen schönen Effekt, der heißt „Above Average“-Effekt. Das heißt, die Menschen denken, dass sie überdurchschnittlich gut sind. Und das ist ein lustiger Effekt, und der gilt für alle, der gilt für Bäcker, der gilt für Taxifahrer, der gilt für Führungskräfte, der gilt sogar für Rhetoriktrainer, dass die Leute denken, sie sind einfach etwas besser.
Das heißt also, die Leute beschweren sich halt über ihr schwindendes Gedächtnis oder die Leute beschweren sich darüber, dass sie vielleicht bessere Begrüßung machen könnten – aber keiner beschwert sich darüber, dass sie bessere Argumente haben könnten, weil wir das Gefühl haben „Ich bin überdurchschnittlich gut und meine Argumente sind überdurchschnittlich gut, also muss ich die nicht durchchecken lassen.“
Geropp:
Ich hätte gedacht, dass das speziell ein Problem eher von den Männern ist. Also zumindest beobachte ich das manchmal, dass gerade bei Führungskräften wir Männer eher ein leicht übersteigertes Selbstbewusstsein bei solchen Sachen haben, und viele Frauen eher in eine schlechtere Lage sich bringen dadurch, dass sie das nicht haben. Aber du sagst, es ist eigentlich Querbeet, wenn ich das richtig verstehe.
Jachtchenko:
Ich habe das tatsächlich auch früher gedacht, dass eher die Männer dieses leicht Arrogante und Extrovertierte an sich haben als Führungskräfte, aber ich glaube, das hängt einfach damit zusammen, dass wir in Führungskräftetrainings meist Männer treffen.
Wenn ich also so ein Führungskräftetraining im Bereich Kommunikation mache, dann sitzen da acht Männer und eine Frau, und dann wirkt das auf uns, als würden die Männer ein bisschen dominanter und selbstbewusster und arroganter auftreten, aber diese eine Frau, wenn man die wirklich beachtet, die ist auch sehr Alpha, sonst wäre sie nicht in der Position. Also ich würde tatsächlich sagen: Es kommt darauf an, dass wir halt meistens Männer in diesen Rollen sehen und uns die Männer mehr auffallen dadurch.
Geropp:
Gut, das kann ich nachvollziehen, das sind/ sobald jemand Führungskraft ist in der Regel, wenn das länger ist, dann hat er ein gewisses Selbstbewusstsein, ja.
Ich meinte das jetzt bezogen insgesamt auf Männer und Frauen, und da ist schon mein Eindruck, dass viele Frauen eher auch gerade durch die Erziehung die Schwierigkeit haben, eben da mithalten/ nicht mitzuhalten, weil sie dieses übersteigerte Selbstbewusstsein häufig gar nicht haben. Also da hätte ich gerne von dir gewusst, ob du das auch so siehst, oder ob das nur ein Eindruck von mir ist.
Jachtchenko:
Ja, also tatsächlich in meinen Trainings/ natürlich ist auch meine Statistik jetzt nicht super wissenschaftlich und ich habe nicht alle 82 Millionen gesehen, aber in den Trainings würde ich schon sagen, dass die Männer dominanter sind in so einem ganz normalen Rhetoriktraining.
Zum Beispiel sieht man das daran: Wenn ich sage „Gibt es Freiwillige?“, dann melden sich in 99,9 Prozent der Fälle Männer zuerst und Frauen kommen dann als zweites dran. Ich habe mich das gefragt, und eine der Erklärungen könnte das Testosteron sein, weil dieses Hormon macht uns risikoaffiner, und davon haben Männer biologisch gesehen mehr.
Das heißt also, höchstwahrscheinlich hat das sogar auch einen biologischen Grund. Wahrscheinlich auch einen sozio-kulturellen, weil Männer eben, ja, mutig sein sollen, und ein guter Mann ist halt so ein Alpha und Frauen sollen halt eher eine passive, vorsichtige Rolle, Familienrolle vielleicht übernehmen nach hergebrachten Mustern. Insofern denke ich, dass die zusammenspielen, sowohl die Biologie als auch, dass die Kultur das so macht.
Aber du und ich sind ja auf dem Weg, auch Frauen zu empowern und stärker zu machen. Und mich würde auch deine Sicht der Dinge interessieren: Hast du es auch in deinen Trainings, dass die Frauen bei Übungen, Rollenspielen eher zurückhaltend sind?
Geropp:
Nein, eigentlich in der Art nicht. Könnte ich so nicht sagen. Was ich wohl beobachte ist, was du auch sagst: Von den Führungskräften, die dann bei mir dabei sind, ist eine absolute Minderheit/ sind dann Frauen.
Also wenn ich in Firmen rein komme, habe ich es häufig so/ ich habe hauptsächlich kleine, mittelständische Unternehmen, dann hast du/ die Führungskräfte sind häufig Männer, und dann hast du irgendwo eine Frau, die macht/ entweder kommt die aus dem Finanzbereich oder HR, ganz wenige, die als Führungskraft, die ich sehe, die Gruppen-, Abteilungsleiter sind.
Gibt es auch einmal, aber eins, eine von zehn vielleicht, und neun sind Männer. Was würdest du denn sagen sind so typische Tricks im Alltag, die man beobachten kann, wo Führungskräfte Mitarbeiter oder auch Mitarbeiter Führungskräfte beeinflussen oder halt manipulieren?
Jachtchenko:
Ja, also sehr häufig im Alltag kommen sogenannte Scheinargumente vor, das sind Dinge, die so aussehen, als wären sie Argumente, aber in Wirklichkeit sind das Pseudoargumente oder Scheinargumente eben.
Und also es gibt halt viele, ich nenne einmal drei. Das eine ist das sogenannte Autoritätsargument. Da zitiere ich eine Autorität und sage „Weil das Herr Professor XY gesagt hat.“ oder „Weil das die Führungskraft/“ oder „Weil das der Vorstand so gesagt hat.“
Und die Leute lassen sich durch Autoritäten eben auch blenden, dass sie sagen „Ah, okay, ja gut, wenn dieses Gremium das so entschieden hat, dann brauche ich mit meinen Argumenten ja gar nicht kommen.“ Und das ist letztlich ein Scheinargumente, weil auch Autoritäten sich natürlich irren können. Deswegen gilt das in der klassischen Dialektik eben als Scheinargument.
Oder ein zweites ist das klassische Traditionsargument „Haben wir schon immer so gemacht. Da könnte ja jeder kommen. Wir fahren doch erfolgreich, wofür brauchen wir das? Wir würden ja nicht zehn Millionen Umsatz machen, wenn das falsch wäre.“, und dann argumentiert man halt mit der Vergangenheit. Und auch da: Die Tradition kann ja richtig sein, aber dennoch ist es ja denkbar, dass eine neue Methode oder ein neuer Change noch mehr bringen würde. Und viele lassen sich durch Traditionsargumente stumm schalten.
Meistens ist es natürlich ein Trick, den die Führungskräfte anwenden zu Mitarbeitern als umgekehrt. Und das dritte Scheinargument ist das sogenannte Fait accompli, übersetzt aus dem Französischen: Jemanden vor vollendete Tatsachen zu stellen, zu sagen „Ja, das ist schon beschlossene Sache.“ „Ja, das ist schon so wie/ da ist der Zug abgefahren.“ Viele Menschen/
Geropp:
„Da kann man nichts mehr machen.“
Jachtchenko:
Genau, kann man nicht mehr verbessern. Und viele Menschen lassen sich darauf einfallen, weil sie denken/ sie hinterfragen nicht, ob die Entscheidung schon wirklich gefallen ist, und sie hinterfragen auch nicht, ob man eine Entscheidung auch rückgängig machen kann.
Also selbst wenn eine Entscheidung vom Meeting, vom Gremium getroffen ist, und ich war als Arbeitnehmer nicht da, und dann sagt mir die Gruppe oder die Führungskraft „Ja, wir haben es aber im Meeting beschlossen.“, dann packen viele die Karten wieder ein und sagen „Okay, schade.“, aber in Wirklichkeit kann man/ man kann ja sogar Urteile des Oberlandesgerichts anfechten, und warum nicht auch dann einen einfachen Meeting-Beschluss?
Und das sind so Scheinargumente, die sehr häufig unter Kollegen oder unter Chefs funktionieren. In meinem Buch „Schwarze Rhetorik“ habe ich natürlich ganz, ganz viele gesammelt, die im Alltag vorkommen, aber ich würde sagen, diese drei sind auf jeden Fall welche, auf die man achten muss. Und was die Leute dann immer fragen „Was kann ich denn dagegen machen“? Da ist die Frage: Man muss sie wirklich kennen. Weil wenn ich nicht/
Geropp:
Also ich muss sie erst einmal erkennen, erkennen, dass ich nachhaken kann.
Jachtchenko:
Absolut. Es gibt zum Beispiel so für Fortgeschrittene so ein Scheinargument, das ist ganz gemein, das kennst du aus der Praxis sicher, das ist das sogenannte Strohmann-Argument.
Das Strohmann-Argument ist: Wenn ich die schwächste/ also angenommen, wir haben so eine Diskussion, und du hast gute Argumente und schlechte Argumente und gute und schlechte Beispiele. Und ich greife mir aber/ als böser, hinterhältiger Mensch greife ich mir deinen schwächsten Punkt heraus, den allerschwächsten, und nur diesen bringe ich zur Sprache und nur diesen entkräfte ich dann. Und da ist der Strohmann, den ich aufbaue. Also ich adressiere gar nicht die guten Argumente.
Und wenn man nicht weiß, dass es diesen Strohmann gibt, dann fühlt man sich irgendwie schlecht und sagt „Ja, der andere/ ja gut, ich habe das ja gesagt. Also irgendwie kann ich nichts dagegen machen.“ Aber wenn du weißt, dass es ein Strohmann ist, dann kannst du das auch offen sagen und sagen
„Herr Kollege, da nutzen Sie ja ein Strohmann-Argument. Kann ja sein, dass das nicht mein stärkster Punkt war, aber was sagen Sie denn zum Argument A und B? Die bleiben doch immer noch stehen.“
Und das kann man eben nur machen, wenn man weiß, es gibt diese Figur des Strohmanns, und man kann sie entkräften, indem man sie einfach zur Sprache bringt.
Geropp:
Das finde ich ein schönes Beispiel. Ganz am Anfang hattest du über diese Autoritätssachen gesprochen. Da ist mir auch noch eins eingefallen, das war noch aus der Schule. Wir haben uns manchmal bei einer Erdkundelehrerin den Spaß gemacht und einfach Behauptungen gesagt
„Ja manche Wissenschaftler meinen ja das und das.“,
und „Ja, ja, mhm.“ Das ist ja noch banaler eigentlich, und das hat funktioniert. Also man wurde nicht unterbrochen
„Wie kommen Sie denn jetzt auf dieses? Wie kommen Sie denn jetzt auf diesen Unsinn? Was heißt manche Wissenschaftler? Welche Wissenschaftler?“
Das wird teilweise gar nicht nachgefragt. Also das ist hochspannend, ja. Wie würdest du sagen kann man sich trainieren, um diese Sachen zu erkennen? Weil das ist, wie ich eben sagte, ja häufig die größte Herausforderung. Im Nachhinein dann denke ich
„Ah, jetzt wird es mir klar. Das war ein Strohmann.“
oder
„Das hätte ich doch eigentlich hinterfragen müssen.“
Wie kriegt man es hin, in der Situation so drauf zu sein, dass ich diese Sachen erkenne?
Jachtchenko:
Also Schritt eins: Ich muss natürlich diese ganzen Sachen kennen. Also da kommt man nicht drumrum. Das ist wie bei Englisch-Vokabeln: Ich kann kein Englisch sprechen oder mich nicht im Business-English verbessern, wenn ich nicht auch Business-Vokabeln lerne, einfach nur stumpf auswendig lerne. Und es gibt gar nicht so viele davon. Also im Alltag/ wir haben ja jetzt drei, vier schon genannt.
Es gibt im Alltag wahrscheinlich dreißig, die relevant wären. Und diese zu kennen und zu wissen „Wann kommt denn so etwas auf mich zu?“, das ist zum Beispiel Schritt Nummer eins. Und Schritt Nummer zwei ist, es ganz genau zuzuhören. Und der praktische Tipp wäre da auch, wenn der andere spricht, die Dinge mitzuschreiben. Also wenn eine Führungskraft zum Beispiel mit einem Mitarbeiter spricht oder umgekehrt.
Deine Audience richtet sich ja eher an Führungskräfte. Ich würde auf jeden Fall als Führungskraft bei einem Jahresmeeting, bei was auch immer, ich würde auf jeden Fall einen Stift und Papier nehmen.
Ich würde mich nicht durch die Körpersprache und durch die Kleidung oder durch die Launen des Mitarbeiters mitziehen lassen, sondern wirklich ganz nackt auf den Inhalt schauen, und dann fängt man mehr Dinge ein. Und dann, wenn man sich die Notizen noch einmal anschaut, dann stellt man heraus
„Okay, also das kann ja nicht wahr sein. Das kann ich noch einmal überprüfen. Da hat der Mitarbeiter doch gar nicht mitgearbeitet.“
und so weiter und so fort. Das heißt also mitzuschreiben, um sich mehr auf den Inhalt zu konzentrieren ist besonders wichtig. Bei meinen Debattierturnieren früher war das so, dass wir gar nicht auf Körpersprache und Stimme geachtet haben, weil man/ es hat immer nur das beste Argument gewonnen.
Und wenn ich zum Beispiel als Juror aufgetreten bin, habe ich mir den Redner gar nicht angekuckt, sondern ich habe nur den Inhalt mitgeschrieben und gedacht
„Macht das Sinn, oder macht das keinen Sinn?“
Natürlich ist das Debattieren nicht super alltagstauglich, als Führungskraft sollte man natürlich auch ein bisschen Empathie zeigen, den anderen anschauen, aber ich würde jedem raten, mitzuschreiben, weil das eben die Logik mehr anstrengt und man mehr auf den Inhalt achtet und sich zwingt, wirklich den logischen Faden zu finden. Und manchmal gibt es eben keinen logischen Faden, und das ist auf jeden Fall ein Hinweis darauf, dass da irgendetwas gedreht wurde.
Geropp:
Ja, vor allem/ also ich habe mir das auch angewöhnt, selbst bei unseren Interviews schreibe ich mit, weil mir dann bestimmte Worte unter Umständen fehlen würden, die du benutzt hast. Und ich glaube, gerade bei solchen Gesprächen mit dem Mitarbeiter hilft das natürlich auch, dass, wenn ich das mitschreibe, ich danach auch einfach noch einmal das repetieren kann, was der andere gesagt habe
„Habe ich dich richtig verstanden, dass das und das und das und das?“
und das gibt mir auch Zeit, noch einmal drüber nachzudenken, um wirklich zu verstehen. Ich sage da immer: Verstehen heißt nicht einverstanden sein. Und das so offen noch einmal rüber zu spielen und sagen „Ich will wirklich verstehen: Was meint der? Wie gilt dieses Argument?“
Und in dem Moment, wo ich das versuche, zu verstehen, wo ich mir die Zeit nehme, es zu repetieren, habe ich auch das Gefühl
„Okay, da verstehe ich jetzt/ Moment, hier, verstehe ich das nicht ganz, oder ist hier ein Argumentationsbruch drin?“
den ich dann einfach nachfragen kann.
Jachtchenko:
Absolut. Und du hattest ja auch vorhin gefragt: Wie kann man diese Blender ausfindig machen? Wenn man mitschreibt. Die Blender haben ja nicht viel Inhalt. Die haben zwar viele Wörter, aber nicht viel Inhalt. Das heißt also, wenn man sich in einem Meeting mit jemandem unterhält, und der labert dreißig, vierzig Minuten, aber am Ende habe ich nur drei Sätze auf dem Blatt stehen, ist es auch ein ganz großer Hinweis darauf, dass da jemand sehr gut reden kann, eloquent ist, aber keinen Content, keine Argumente hat.
Und das kann man sehr schön nachvollziehen. Also wenn ich Dinge mitschreibe, manchmal habe ich wirklich über eine Seite an Kommentaren, und manchmal habe ich wirklich nur drei Sätze und frage mich
„Fragezeichen, Fragezeichen – was hat er mir eigentlich gesagt?“
Und so kann man das beim Mitschreiben eben sehr gut in der Praxis nachvollziehen.
Geropp:
Sehr gut. Sehr gut. Jetzt haben wir es ja im Unternehmen auch häufiger mit Konflikten zu tun. Konflikte sind ganz normal, sie sollten nicht eskalieren, man muss die ansprechen. Und da wüsste ich gerne von dir:
Gerade in solchen Konfliktsituationen, worauf sollte man achten speziell hinsichtlich der Sprache, die ich verwende? Wo gibt es da so ein paar Sachen, wo du sagst „Also da müsst ihr drauf achten und das solltet ihr vermeiden.“, in dieser Richtung? Was sind da so deine Tipps?
Jachtchenko:
Ja, also bei Konflikten: Es gibt so eine Theorie, Kommunikationstheorie von Marshall Rosenberg, die gewaltfreie Kommunikation. Die ist vor allem in Amerika sehr, sehr beliebt, weil der Anspruch ist es nämlich, mit dem anderen, ohne zu schnell auf die Bewertung draufzuspringen, erst einmal die Tatsachen zu beobachten.
Und das ist ein ganz guter Tipp in Konfliktsituationen. Also Rosenberg sagt: Schritt eins ist allein die Beobachtung. Was ist passiert? Das heißt, die Juristen/ ich habe ja selber einen juristischen Hintergrund, habe zwei Staatsexamen gemacht, und da/ also bei jedem Urteil schreibt der Richter, bevor er zur rechtlichen Würdigung kommt, erst einmal den Sachverhalt, und das ist auf jeden Fall immer sehr hilfreich, bevor ich zur Bewertung komme und sage
„Also das hast du nicht richtig gemacht, dass du ihm die E-Mail erst vier Tage später zugesendet hast.“
Das ist so, wie wir im Alltag kommunizieren. Wir bewerten die Menschen zu schnell, und diese Bewertung, die bringt den Menschen dann entweder in Selbstverteidigung oder in einen Gegenangriff.
Das sagt Rosenberg, also das bin nicht ich. Also ich habe großen Respekt vor dem Mann, weil er eben diese Dinge auf den Punkt bringt. Wenn ich bewerte, dann entweder gibt es dann die Selbstverteidigung von eher schüchternen, introvertierten Menschen, oder es gibt den Gegenangriff von den, ja, von den aggressiven Alpha-Männern oder -Frauen. Und das/
Geropp:
„Jetzt geht es zur Sache!“
Jachtchenko:
Genau, aufheizen, und das ist ja nicht in unserem Sinn, sondern was Rosenberg zurecht sagt: Diese gewaltfreie Kommunikation heißt erst einmal nur den Sachverhalt. Das ist manchmal sehr schwierig, weil ich ja selber emotional aufgeladen bin.
Also stellen wir uns zum Beispiel vor: Ein Kollege oder Chef kommt immer ohne anzuklopfen in mein Büro, und ich bin dadurch genervt. Oder mein Co-Gesellschafter oder was auch immer. Zu sagen
„Mich stört es, dass du immer in mein Büro reinstürmst.“
das ist kein Sachverhalt, weil allein das Wort „reinstürmen“ ist ja ein negativ//
Geropp:
Eine Bewertung.
Jachtchenko:
…geladenes Wort, und da wird der andere schon auf 180 kommen und sagen
„Ich stürme doch gar nicht rein! Das stimmt doch gar nicht! Ich bin doch leise!“
und dann kommt er in diese Selbstverteidigung, und das hitzt den Konflikt nur noch mehr auf. Das heißt, nach Rosenberg ist der Tipp, erst einmal nur zu beobachten und zu sagen
„Mir ist aufgefallen, wenn du in mein Büro rein trittst, dass du nicht klopfst.“
Und die Stimme dabei ist relativ neutral, und die Wörter, die ich benutze
„Wenn du rein kommst, dann klopfst du nicht.“
ist einfach nur eine Tatsachenbeschreibung. Und anschließend würde man nach Rosenberg dann das Gefühl mitteilen, und zu sagen
„Dadurch fühle ich mich irritiert und würde mir wünschen, dass du einfach demnächst einfach anklopfst.“
Das heißt also ich bewerte die Situation nicht, sondern ich beobachte, sage das Gefühl. Da gibt es noch einen Zwischenschritt bei Rosenberg, dass man das Bedürfnis noch ausdrückt. Ich lasse das in der Praxis häufig weg.
Also wer es wissen will: Ich habe dazu auch eine Podcast-Folge zum Thema gewaltfreie Kommunikation, da ist das ausführlich. Ich lasse den dritten Schritt von Rosenberg weg, das heißt, ich beobachte
„Was ist passiert?“
dann sage ich mein Gefühl, und dann formuliere ich meine Bitte. Und das funktioniert wunderbar, ohne zu beurteilen und ohne jetzt ein Werturteil zu formulieren, wodurch der andere eben, ja, noch saurer werden kann. Und das ist eine tolle Idee.
Dazu gibt es auch das Buch „Gewaltfreie Kommunikation“ von Rosenberg. Das ist der Weg, wie man Konflikte nicht erst erhitzt. Und das spannende ist, und das ist vielleicht eine Herausforderung an deine Zuhörer: Wenn unsere Zuhörer oder Zuschauer das nächste Mal das Telefon in die Hand nehmen, einfach einmal darauf achten
„Bewerte ich oder beobachte ich und gebe meine Beobachtung wieder?“
Einfach nur als Test. Was sage ich genau? Man kann ja vielleicht auch das aufnehmen, was man selber spricht. Und sehr häufig ist es so, dass wir zu schnell bewerten, und dadurch den anderen entweder in die Defensive oder in die Offensive bringen.
Geropp:
Ja, das ist sehr gut. Ich werde deine Podcast-Folge verlinken und auch das Buch von Rosenberg. In den Shownotes können wir das machen, das ist prima.
Jachtchenko:
Macht Sinn.
Geropp:
Jetzt das ist, wenn ich selber in einen Konflikt gehe. Jetzt gibt es aber durchaus ja Genossen da draußen, die wirklich einen angreifen. Die wollen nicht überzeugen, sondern die manipulieren oder sie gehen richtig in den Kampf rein und schießen auch unter der Gürtellinie. Vor allem, wenn man off Guard so etwas antrifft, also wenn man auf einmal angeschossen wird, fühlt man sich häufig da ziemlich hilflos, wo man denkt
„Das kann der doch jetzt nicht wirklich machen.“
Wie würdest du sagen geht man in solchen Situationen am besten mit solchen persönlichen Angriffen um?
Jachtchenko:
Ja, auch da gibt es einen schönen Bereich der Rhetorik, also den Unterbereich der Schlagfertigkeit. Weil das interessante ist, dass die verbalen Attacken, also wo der andere auf mich drauf geht, dass die eigentlich immer ähnlich sind: Es wird entweder die Person angegriffen, das Aussehen, die Kleidung, das Gewicht.
Das heißt, es gibt einfach eine beschränkte Anzahl an Dingen, wo andere Menschen uns kritisieren oder unseren Inhalt versuchen, klein zu machen. Und mit Schlagfertigkeitstechniken, wenn man die drauf hat, dann ist es natürlich viel einfacher, mit diesen verbalen Attacken umzugehen.
Und ich stelle einmal zwei Techniken vor. Eine Technik ist beispielsweise die Technik der Rückfrage. Das heißt, ich stelle eine Rückfrage und gewinne mir dadurch Zeit. Also zum Beispiel kommt ein Kollege auf dich oder mich zu und sagt „Ja, Wlad“ – oder Bernd –
„…das, was du sagst, das stimmt doch hinten und vorne nicht. Das ist doch ausgedacht, aus den Fingern gezogen. Das ist doch falsch.“
Und das ist natürlich ein super konfliktträchtiger Satz. Und eine Rückfrage wäre, wenn ich einfach nur fragen würde
„Was genau findest du daran falsch?“
Und was uns diese Rückfrage bringt, das ist auf jeden Fall Zeit. Das heißt, wenn wir Zeit haben, und der andere muss ja die Frage erst beantworten, was hinten und vorne nicht passt, und diese Zeit, die können wir dann selber nutzen, um zu überlegen.
Und das coole ist natürlich, dass der andere sich durch die Rückfrage auch ein bisschen selbst unter Druck bekommt, weil er dann ja unerwartet selber antworten muss, und diese Rückfrage bringt auch den anderen unter Druck, und ja, es ist nicht einfach, auf eine spontane Rückfrage dann inhaltlich eine Antwort zu geben. Also diese Rückfragetechnik ist zwar einfach, aber sie ist für den anderen unangenehm. Und ja, das würde ich auf jeden Fall empfehlen, wenn man sagt
„Also ich bin jetzt nicht der Schlagfertigkeitskönig.“
ist es eben die Rückfrage. Und wenn man es ein bisschen fortgeschritten haben möchte, dann gibt es eine Ironietechnik.
Das ist etwas, was, ja, also wie gesagt, was man jetzt nicht am Anfang machen sollte, aber jede Aussage kann man irgendwie überspitzen und daraus einen kleinen Scherz machen und zeigen
„Deine Attacke, die greift mich gar nicht an.“
Und Ironietechnik wäre beispielsweise/ also diesen Satz mit
„Das stimmt doch hinten und vorne nicht, was du sagst, Bernd.“
dann würde eine ironische Antwort darauf antworten
„Ah ja, hinten und vorne nicht, aber mit links und rechts sind Sie mit meinen Ausführungen zufrieden.“
Und dann, egal, was dann kommt, du kannst diese Situation dann ironisch überspitzen. Und wenn der andere dann ein bisschen schmunzelt, dann löst das auch den Konflikt auf, weil wir können nicht sauer sein auf Menschen und ihn attackieren und gleichzeitig mit ihm lachen.
Geropp:
Ja, das ist ein guter Punkt.
Jachtchenko:
Das heißt also: Wenn wir den anderen zum Lachen bringen, dann ist das auch ein Weg, den Konflikt zu lösen. Ja, und dazu übrigens habe ich auch eine Podcast-Folge mit ein paar mehr Tipps und Beispielen. Also wenn Leute sich das Thema Schlagfertigkeit anhören wollen, können wir die gerne verlinken.
Geropp:
Das verlinken wir auch. Sehr gut, ja.
Jachtchenko:
Genau, weil dazu mache ich auch Seminare, und sehr viele Menschen können dann auch nicht einschlafen. Also das ist für einige auch wirklich ein ernstes Thema, wo sie etwas vom Chef oder vom Mitarbeiter oder vom Kollegen gesagt bekommen haben, und dann grübeln die
„Was kann ich denn dazu sagen?“
und finden dann nicht die Antwort. Und wie gesagt, an alle Zuhörer: Die Rückfrage passt immer
„Wie meinen Sie das? Warum sagen Sie das?“
und da gewinnt man auf jeden Fall Zeit.
Geropp:
Das ist ein sehr guter Tipp. Weil gerade in der Situation/ häufig ist es ja so: Fünf Minuten später
„Hey, da hätte ich das sagen können! Das wäre so cool gewesen! Das wäre ironisch.“
Hilft mir ja nichts. Aber wenn ich sage: Okay, einfach nachfragen
„Wie ist das jetzt genau gemeint? Was meinten Sie?“
damit gewinne ich Zeit, und dann fällt mir vielleicht auch nachher noch einmal etwas Ironisches ein. Das finde ich sehr gut.
Wlad, abschließend: Ich beobachte momentan, wie viele andere auch, dass es in unserer Gesellschaft, speziell auch in der Politik, immer mehr Leute gibt, die offensichtlich mit Lügen durchkommen.
Also wir hatten vorhin schon Donald Trump, der kann in der Öffentlichkeit Sachen sagen, wo man denkt
„Das ist doch so offensichtlich! Wie kann das sein?“
Wie kommt das und wie gehst du damit um? Das muss ja für einen Rhetoriktrainer, der Argumente in den Vordergrund/ das muss ja/ du musst ja eigentlich ständig
„Oh mein Gott! Schon wieder der!“
sagen. Wie gehst du damit um?
Jachtchenko:
Ja, also erst einmal die Frage: Woher kommt das überhaupt? Und ich glaube, das hat damit zu tun, was wir auch vorhin besprochen haben: Viele Leute achten zu wenig auf den Inhalt des Gesagten.
Und wenn man nur auf die Körpersprache und Stimme von Donald Trump zum Beispiel schaut, dann ist da jemand, der sehr überzeugend in diesem körpersprachlichen Sinne ist. Er ist der geborene Alpha, der geborene Leader, er weiß immer, was Sache ist, er ist immer der Starke, er zieht auch die Leute körpersprachlich beim Handshake immer zu sich, sagt
„Ich bin der/“
Er ist auch relativ groß und relativ schwer. Und ich gehe damit also relativ entspannt um, weil ich mir sage: Die meisten Leute achten nicht auf den Inhalt, und die logische Folge ist ja, dass natürlich so ein Mensch wie Trump oder andere Schaumschläger einfach überzeugend dastehen und deswegen auch gewinnen.
Das heißt also, ich rege mich nicht auf darüber, sondern es ist einfach nur eine logische Folge, wenn man die Prämisse hat
„Menschen achten wenig auf den Inhalt.“
Und wir können auf viele Diktatoren der Welt schauen: Die haben alle exzellente Stimmen, die haben alle exzellente Körpersprache, die sind alle überzeugt bis ins letzte Glied, und deswegen kommen sie gut an. Und so lange die Menschen nicht lernen, auf den Inhalt zu schauen, so lange wird es auch die Trumps in dieser Welt geben.
Und man sieht ja auch, dass zum Beispiel liberale Demokratien wie zum Beispiel Deutschland durchaus auch Menschen wählen, die mehr Inhalt bringen. Also natürlich ist jetzt Merkel nicht die begnadetste Rhetorikerin aller Zeiten, aber wenn sie etwas sagt, dann hat das Hand und Fuß, und insoweit ist das zum Beispiel in Deutschland undenkbar.
Und der interessante Vergleich ist, dass Donald Trump in Deutschland eine Zustimmung von drei Prozent hat, also hier sind die Leute etwas kritischer, schauen auf den Inhalt, und in Amerika hat er einen Zuspruch von vierzig bis fünfzig Prozent.
Geropp:
Ja gut, vielleicht rührt das auch daher, dass wir Deutschen da geprägt sind aus einem tausendjährigen Reich mit jemandem, der das auch rhetorisch hervorragend drauf hatte leider.
Jachtchenko:
Genau. Genau. Genau. Deswegen ist auch die Rhetorik auch vom Image her in Deutschland relativ/ nicht ganz hoch angesehen. Es gibt diese Debattierclubs und Toastmasters Clubs in England, USA, aber durch die deutsche Geschichte hat die Rhetorik einen etwas gefährlichen oder zwielichtigen/ ja, zwielichtiges Image.
Aber so lange wir Menschen nicht auf den Inhalt achten, so lange können Blender durchkommen. Und das gilt natürlich für alle Bereiche. Also das gilt für den Bereich Banken, Versicherungen, Politik, aber auch ganz kleine Sachen, Besprechungen in Meetings. Du hast es ja angesprochen:
Wenn irgendjemand im Meeting sagt
„Ja, das ist ja wissenschaftlich bestätigt.“
wenn wir nicht nachfragen
„Ja wo denn? Wo steht es denn?“
dann können wir auch in einem Meeting als Führungskraft über den Tisch gezogen werden, weil wir eben nicht nachfragen warum und wieso und weshalb.
Geropp:
Wlad, ich bedanke mich recht herzlich für dieses Gespräch, hat mir riesen Spaß gemacht, und ich kann jedem nur empfehlen, auf deinen Podcast einmal reinzuhören und auch auf deinem YouTube Kanal vorbeizuschauen.
Es lohnt sich in jedem Fall. Vielen, vielen Dank, Wlad.
Jachtchenko:
Ja, sehr gerne. Danke für die Einladung.
Das inspirierende Zitat
„Worte sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt..“
Joseph Rudyard Kipling
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