fpg196 – Kampf den Abteilungssilos: Tipps für eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit – Interview mit Oliver Ratajczak
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Erfolgreiche Unternehmen wollen kundenorientiert agieren. Sie schreiben sich auf ihre Fahnen, dass sie den größtmöglichen Kundennutzen liefern wollen.
Das ist schön und das ist wichtig, bedingt aber, dass in solchen Unternehmen abteilungsübergreifend zusammengearbeitet wird. Und genau das ist häufig nicht der Fall. Je größer das Unternehmen, umso schlimmer.
Über die Jahre haben sich Abteilungssilos herausgebildet, die sich gegeneinander abschotten und teilweise sogar bekriegen. Politische Spielchen nehmen überhand. Die Kommunikation ist gestört. Informationen werden unbewusst oder teilweise sogar mit Vorsatz anderen Mitarbeitern und Abteilungen vorenthalten. Fehler werden immer bei den anderen gesucht.
Wie lässt sich das aufbrechen? Was kann man tun, um die Kommunikation wieder zu verbessern und die Abteilungssilos aufzubrechen?
Oliver Ratajczak
Darüber unterhalte ich mich heute mit dem Buchautor,Berater- und Podcastkollegen Dr. Oliver Ratajczak.
Wir gehen der Frage nach, warum es so schwer fällt, abteilungsübergreifend zusammen zu arbeiten, wie man das verbessern kann und gehen dabei auch speziell auf Wissensmanagement und unternehmensinterne Wikis ein.
Wenn Sie das Thema abteilungsübergreifende Zusammenarbeit interessiert, kann ich Ihnen sein Buch: „Flurfunk 3.0“ sehr empfehlen.
Sie können es kostenlos erhalten, wenn Sie auf folgenden Link klicken: ihre-kundenbrille/denkanstoss
Weiterführende Links
- Webseite von Oliver Ratajczak
- Olivers Podcast: „Blickwinkel Kunde“
- Hier gibt es gratis das Buch von Oliver: „Flurfunk“
- Details zu Olivers Arbeit als Social Intranet Coach mit vielen Infos, wie ein Intranet helfen kann
- Infos über Olivers Tätigkeit, um die Kommunikation in Unternehmen zu verbessern
Das transkribierte Gespräch mit Oliver Ratajczak
Geropp:
Oliver, warum fällt es vielen Unternehmen so schwer abteilungsübergreifend zusammen zu arbeiten?
Ratajczak:
Tja, da muss man sich einfach mal anschauen, was ist überhaupt der Grund jeder Abteilung oder warum sind die da, was ist deren rudimentäre Aufgabe? Was für ein Ziel haben die im Zweifelsfall auch im Zielsystem bekommen?
Und dann stellt man dann schon schnell fest, dass die einzelnen Abteilungen nicht immer wirklich nahtlos abgestimmte Ziele bekommen. Also zum Beispiel jetzt mal das Marketing. Marketing ist im Zweifelsfall dazu da Interessenten zu generieren und die werden dann an den Vertrieb übergeben.
Wir beide wissen aus dem Online-Marketing, es gibt Möglichkeiten ohne Ende Traffic zu kriegen. Der sagt aber nichts über die Qualität. Also das heißt, ein Marketing schafft es dann mit irgendwelchen Tricks im Zweifelsfall ganz viele Interessenten zu gewinnen, die aber gar kein wirkliches, richtiges Interesse haben.
Dann wird das Ganze übergeben an den Vertrieb und ja, der ist dann halt schlecht, weil der kriegt es halt nicht hin, die Leads sozusagen umzuwandeln in den Verkauf. Ja, da kann der aber gar nichts für, weil naja, das passt halt nicht. Und ganz am Ende, wenn dann wirklich alles schief gelaufen ist, kommt dann noch der Kundenservice, der dann wirklich alles retten muss.
Der hat dann aber wieder Vorgaben, dass er möglichst kurz mit den Kunden sprechen soll und so. Und so bilden sich zwangsläufig Grenzen zwischen den Abteilungen oder die werden halt noch mehr manifestiert, als es eigentlich wäre.
Geropp:
Aber ganz auflösen kann ich das ja nicht?
Ratajczak:
Das glaube ich auch nicht. Es macht ja auch keinen Sinn zu sagen, wir sind jetzt ein Unternehmen. Punkt. Und alle Hierarchien und so schaffen wir ab.
Ich habe das erlebt aus der Startup-Szene. Firmen werden dann größer und irgendwann braucht man halt ein paar Strukturen. Das macht ja auch alles durchaus Sinn. Aber man muss halt dafür sorgen, dass die Leute nicht wirklich gegeneinander arbeiten, sondern miteinander.
Dazu müssen sie aber erstmal verstehen, wozu sind wir da und was passiert, nachdem wir irgendwas bearbeitet haben. Keine Ahnung. Eine Bestellung kommt rein und dann wird irgendwas gemacht und dann geht das Ding halt weiter in die nächste Abteilung. Aber was passiert denn da? Allein dieses Wissen, was passiert in meiner Nachbar-Abteilung? Was passiert in der Abteilung vorher mit diesem Vorgang, Kundenbestellung oder so? Das ist ja teilweise wirklich schockierend, was die Leute nicht wissen.
Geropp:
Ja. Es bilden sich ja so Abteilungssilo, je größer die Unternehmen werden. Aber eigentlich schon, wenn man mehr als sieben oder acht Leute hat oder mehrere Räumlichkeiten schon, ergeben sich einfach unterschiedliche Teams, unterschiedliche Ausrichtungen und da gibt es immer Zielkonflikte, Teamkonflikte. Wie, würdest du sagen, geht man da am besten mit um?
Ratajczak:
Ich mache das ja. Ich bin ja seit 17 Jahren Berater unterwegs. Ich habe da eine sehr unkonventionelle Methodik. Ich picke mir halt die Leute raus, die Multiplikatoren, von denen ich überzeugt bin, dass es die Keyplayer sozusagen sind.
Und dann, wie ich immer sage, werde ich fürs Kaffee trinken bezahlt. Ich schnappe mir die und spreche mit denen und dann mit einem Kaffee unter vier Augen. Witziger Weise scheine ich so ein Typ zu sein, dem man vertraut. Dann kriege ich manchmal Sachen zu hören, die sie weder einem Mitarbeiter von sich, noch einem Kollegen aus einer anderen Abteilung sagen würden, geschweige denn einer Geschäftsführung und mir stehen da manchmal die Haare zu Berge. Also wenn man dann zum Beispiel sagt,
„Ja, der Vorstand will immer das und das, aber das macht keiner. Also ignorieren wir alle“,
denke ich schon, ja das ist schön, dass ihr das ignoriert, aber das hat ja meistens irgendwie einen Sinn. Vielleicht ist es nicht so richtig angekommen der Sinn. Das kann ja sein. Aber es fehlt halt meistens so die ganzheitliche Perspektive von vorne bis hinten.
Und ich komme ja mit meinem Unternehmen ihre Kundenbrille.de noch andersherum. Also ich komme ja praktisch noch von außen und sage,
„Guckt euer Unternehmen doch mal von außen an. Wie sieht es denn der Kunde?“
Dem ist das total egal, wann seine Bestellung, vom wem bearbeitet wird, welche Abteilung, wie und was. Der will im Zweifelsfall, dass das alles glatt läuft und der das nutzen kann und Schluss. Und das führt dann halt auch in einem Workshop manchmal zu so erhellenden Momenten. Ich habe einen Workshop, wo wir den ganzen Kundenlebenslauf durchexerzieren für ein Beispielprodukt.
Und da sind dann immer die Verantwortlichen von allen möglichen Abteilungen dabei und jedes Mal bis jetzt habe ich das erlebt, dass dann einer erzählt, „ja, dann machen wir das hier. Dann kriegt der Kunde da eine E-Mail.“ Und der nächste sagt, „wieso schickt ihr denn dem eine E-Mail? Wir schicken die dem doch.“ Und dann halten die die E-Mails neben einander und die sind natürlich widersprüchlich und so und man denkt dann, Herr im Himmel. Warum muss ich denn erst kommen, damit ihr mal miteinander sprecht.
Geropp:
Das heißt, die Prozesse sind aber gar nicht in Ordnung in den Unternehmen dann?
Ratajczak:
Kommt immer drauf an, wie man fragt. Also wenn man den Prozessverantwortlichen fragt, ist alles super. Das ist auch abgeheftet. Das ist nach ISO irgendwas immer zertifiziert und dann ist es in dem Ordner, da kann man sich anschauen. Aber also in 17 Jahren habe ich es noch nie festgestellt, dass die dokumentierten Prozesse mit denen übereinstimmen, die auch gelebt werden.
Also da gibt es immer Schleifen und ja das haben wir damals so gesagt, das war so ein Workshop, das mussten wir politisch und so. Aber de facto läuft es dann immer anders. Dann denke ich auch, was haben die jetzt von toll dokumentierten ISO-Prozessen, die aber keiner lebt. Guckt euch mal die an, wie es wirklich geht, weil das ist genau das, was beim Kunden gegenüber auch aufschlägt. Und der hat dann das Malheur und versteht nicht, warum er immer unterschiedliche Botschaften aus verschiedenen Abteilungen kriegt.
Geropp:
Wenn man jetzt das verbessern möchte in einem Unternehmen. Also nehmen wir mal an, wir haben so ein kleines, mittelständisches Unternehmen, 100 Mitarbeiter. Die haben ja dann normalerweise schon verschiedene Abteilungen. Da ist die Produktion, das ist der Vertrieb, da ist der Innendienst und was weiß ich nicht alles. Wie kann man, deiner Ansicht nach, am besten denn die Kommunikation innerhalb eines Unternehmens zwischen den Abteilungen, also abteilungsübergreifend verbessern?
Ratajczak:
Wie so meistens, beginnt es ganz oben. Also ich sag mal, was ich feststelle ist, viele Mitarbeiter haben Angst in Unternehmen. Angst ihren Job zu verlieren, Angst was falsch zu machen. Es gibt solche Leute, die, wie soll ich sagen, die sind irgendwie auf ihre Position gekommen und jeder von außen fragt sich eigentlich, wie kann das passieren. Der hat davon gar keine Ahnung. Gibt es. Ja.
Und dann beginnt halt so ein Schutzmechanismus und die versuchen sich irgendwie zu schützen, dass es nicht auffällt und sind eigentlich damit die ganze Zeit beschäftigt sich zu verteidigen. Und das führt ja alles nicht dazu, dass man eine gute Arbeit macht, sondern das führt alles im Zweifelsfall dazu, dass 80 Prozent der Arbeitszeit dann, keine Ahnung, auf Selbstverteidigung, auf Schutz, auf gut da stehen, damit ich nicht gefeuert werde, weil der neuesten Einsparungsrunde und so.
Das hat aber nichts miteinander, mit der Zusammenarbeit an sich zu tun, sondern naja ist eher so viele Einzelpersonen kämpfen irgendwie und ein bisschen arbeiten die auch zusammen, aber eben nicht hundertprozentig.
Geropp:
Ist denn dein Eindruck, dass das auch schon bei kleinen Unternehmen sehr stark verbreitet ist? Meine Sichtweise wäre eigentlich, dass es eher so in den größeren Konzernen teilweise in diese Richtung, weil man oben gar nicht mehr genau weiß, was unten abläuft. Aber in so einem 100-Mann-Unternehmen ist das aus deiner Erfahrung auch schon häufig so der Fall?
Ratajczak:
Eine Anekdote. Ich habe vor kurzem einen Anruf bekommen von einem Startup, die ich am Anfang mal beraten habe. Sehr süß. Zwei Freunde, die haben das Baby gegründet und sehr clevere und riefen mich an und sagten, „Oliver wir haben ein Problem.“ Ich so, „Gott, was ist los?“ „Wir müssen jetzt jemanden einstellen.“ Ich so, „ja und?“ „Ja, dann sind wir zu Dritt und das wird dann bestimmt haken mit der Kommunikation.“ Habe ich gesagt, „Leute, ich glaube, da ist noch Luft nach oben. Mit drei werdet ihr das auch noch hinkriegen. Das ist kein Problem.“
Aber ich habe für solche wirklich katastrophalen Zustände auch schon mal Unternehmen erlebt, die unter 100 Mitarbeiter hatten. Die saßen auf zwei verschiedenen Etagen. Es gab eine Etage, da saß der Vorstand. Auf der anderen Etage saß eben nicht der Vorstand. Die waren ein bisschen lockerer. Die anderen hatten dauernd Angst und es wurde so viel Politik gemacht zwischen einzelnen Abteilungen.
Die IT-Abteilung, da lief vielleicht auch irgendwas nicht rund und dann haben die versucht, sich mal zu verteidigen, das war wirklich krass. Sowas habe ich vorher noch nie so erlebt in so einem kleinen Unternehmen. Also die hatten also von außen betrachtet, haben die sich benommen, wie riesen Konzerne, konnten sich das aber gar nicht erlauben. Und ja also deswegen, ich bin davon überzeugt, ich habe es zwar schon gesehen, gibt es in freier Wildbahn da draußen. Das geht auch schon vielleicht nicht bei drei Mitarbeitern los, aber auch deutlich unter 100.
Geropp:
Sag mal, was kann man denn dagegen tun aus deiner Sicht, wenn es so starke Politik ist? Du hast vorhin gesagt, man muss oben wahrscheinlich anfangen. Wie gehst du bei solchen Sachen vor?
Ratajczak:
Also ich hole mir erstmal das Commitment sozusagen der Geschäftsführung ab. Was wollen die eigentlich wirklich? Und wenn ich dann so Antworten bekomme, wie „ja, mehr Geld, mehr Umsatz“, und so, das hilft halt nicht, sondern das muss halt schon alles zusammenspielen.
Also wenn ich die aber so weit habe, dass sie einsehen, die Mitarbeiter müssen miteinander funktionieren, dann gucke ich mir halt die Fehlerkultur an. Wie sieht es denn da aus? Ist es überhaupt erlaubt, Fehler zu machen? Also ich hoffe inständig ja, weil nur aus Fehlern lernt man im Zweifelsfall.
Das richtig Blöde an Fehlern ist, wenn man sie zweimal tut. Das Problem ist aber an so einer Angstsituation, wenn ich einen Fehler mache, verheimliche ich den ja, damit ich keinen Ärger kriege oder gefeuert werde oder keine Ahnung, irgendwas. Und wenn ich das halt verschweige, dann kann auch niemand anderer wissen, dass dieser Fehler schon mal passiert ist und daraus auch nicht lernen und schon hat man den Salat und es passiert mehrfach.
Geropp:
Also mir ist es schon häufiger so vorgekommen, habe ich es angetroffen, dass ich mit dem Geschäftsführer dann gesagt habe, „nein, natürlich kann man bei uns Fehler machen“, die Sichtweise war aber dann bei den Mitarbeitern nicht unbedingt da. Die haben gesagt,
„Naja, von wegen. Ist gar nicht wahr. Schau mal, was letztes Mal passiert ist.“
Also da gibt es auch einfach, also ohne bösen Willen, ganz unterschiedliche Sichtweisen. Der Chef denkt, nein, bei uns ist das doch in Ordnung, aber tatsächlich ist das bei den Mitarbeitern unten gar nicht angekommen.
Ratajczak:
Genau. Und das tue ich ja sozusagen als Kommunikationskatalysator. Ich spreche ja mit vielen Leuten, wie gerade gesagt, beim Kaffee. Und natürlich gehen diese Informationen dann auch an die Geschäftsführung, aber jetzt nicht, „der Herr Müller hat gesagt, dass“, sondern ich mache mir halt ein Bild und im Zweifelsfall ist dann so ein Abschlussbericht, der tut dann auch mal weh.
Da steht dann halt drin, deine Mitarbeiter vertrauen dir nicht. Du hast da ein Problem und hier ein Problem. Was aber nichts Schlimmes ist. Meistens ist das nur ein Kommunikationsthema. Der Chef sagt, „das ist doch klar, das brauche ich ja nicht jede Woche zu sagen, weil das habe ich schon auf der Weihnachtsfeier vor sieben Jahren mal kurz erwähnt“ und so. Nein, doch in solchem Fall muss man es halt noch mal klipp und klar sagen. Und bei der Kommunikation ist es ja nicht einfach.
Ich habe keine Chance zu beeinflussen, was der andere versteht. Ich kann ja nur beeinflussen, was ich sage. Deswegen ist das halt immer ein bisschen schwierig. Und häufig ist es gar nicht böses Wollen der Geschäftsführung oder so, sondern einfach, die glauben halt, das wäre ja klar. Aber was ich schon festgestellt habe, was überhaupt gar nicht klar ist. Also ich habe auch mal bei Konzernen an Betriebsversammlungen, Bereichsleiter, also Bereichsversammlungen teilnehmen können und habe dann so Sachen gehört wie, „ich fühle mich bei solchen Versammlungen immer so komisch, ein bisschen so, wie bei der Mathenachhilfe. Da habe ich auch nichts verstanden.“
Weil halt vorne die Botschaften, die werden halt manchmal etwas verklausuliert, aber keine Ahnung, drei Etagen tiefer verstehen die das dann einfach nicht oder denen ist noch nicht mal das grobe Bild klar, wo soll es denn hingehen und deswegen bin ich halt so ein Verfechter davon, mach das transparent, was ihr da sagt. Und nicht nur, ich habe es mal gesagt oder viel schlimmer, ich habe es ja meinem Assistenten gesagt, der sollte das ja ins Unternehmen tragen. Also so Stille-Post-Spiele.
Geropp:
Also ich erlebe das auch häufig, dass wenn es zum Beispiel um die Unternehmensvision oder die großen Ziele geht, dass man, wenn man mit der Geschäftsführung spricht und die sagen, „nein, nein, das haben wir kommuniziert und das haben wir auch mehrfach kommuniziert“, und ich versuche dann immer klar zu machen, dass ist aber unten noch nicht angekommen und das ist ganz normal, dass es noch nicht angekommen ist, denn man muss solche Sachen so häufig sagen, immer aus unterschiedlichen Richtungen und nur, weil man es einmal oder zweimal gesagt hat, ist das noch lange nicht angekommen.
Ratajczak:
Es liegt ja auch bestimmt ein PDF irgendwo auf einem Laufwerk. Da kann man alles ja noch mal nachlesen, ist auch so ein Argument. Ich nehme an, das steht alles im SharePoint.
Geropp:
Es macht nur keiner.
Ratajczak:
Ja, das hilft halt nicht.
Geropp:
Was hilft denn aus deiner Sicht?
Ratajczak:
Was hilft denn? Naja ich bin halt so ein Verfechter von der komplett offenen Kommunikation, wo sie halt offen geht. Also ich habe ja mein Buch „Flurfunk 3.0“ darüber geschrieben, also parallel zu einer Einführung eines Social Intranets beim großen Touristik-Konzern und da geht es halt da drum, wir bauen praktisch ein neues Intranet. Intranet kennen die Leute. Das ist da, wo man nachgucken kann, was es in der Kantine gibt und im Zweifelsfall steht dann auch mal irgendwas von neuer Geschäftsführung. Die haben noch eine Botschaft drin.
Das war von außen betrachtet war das auch genauso, aber de facto war es halt was ganz anderes. Also wir haben eine Social Intranet eingeführt auf Basis von Confluence von Adlessian und das ist halt eigentlich ein Wiki-System, was aber so getarnt ist, dass man es auch, sag ich mal, als Intranet benutzen kann. Also die Leute, die nachgucken wollen, was es in der Kantine gibt, können das immer noch tun. Sie können jetzt aber im Zweifelsfall sagen, das Essen heute war toll oder macht doch mal lieber Linsensuppe.
Was natürlich aus Geschäftsführungssicht nicht so toll klingt, weil das hat ja nichts mit der Arbeit zu tun. Oh doch, weil das hat was mit Wohlfühlen zu tun und so. Aber die können halt auch Sachen kommunizieren. Also ich habe das schon mehrfach erlebt in Unternehmen, wo dann vorne auf der Startseite steht, wir haben ein neues Projekt jetzt eingeführt, nach einem halben Jahr und das und das und das macht das. Und dann kommentiert irgendjemand unten drunter, „ja, das haben wir doch schon lange, das heißt nur anders, das geht so.“ Und dann denke ich immer, guck mal, das System hat funktioniert. Plötzlich erfahrt ihr voneinander, dass es euch gibt und dass ihr im Zweifelsfall jetzt Geld rausgeschmissen habt. Hättet ihr vorher mal gesagt, dass ihr da sowas plant, hätte man vielleicht viel Geld sparen können. Aber es geht halt um Offenheit und Transparenz.
Geropp:
Wie offen willst du denn oder solltest du denn sein als Geschäftsführer? Bleiben wir wieder bei einem 100-Mann-Unternehmen. Wie weit öffne ich denn aus deiner Sicht? Was ist sinnvoll?
Ratajczak:
Wir hatten damals so eine Regel implementiert, wie soll ich sagen, Betriebsräte, IT kam an und sagten,
„Herr Ratajczak, das geht alles so nicht. Wir brauchen ein Rechte-Management und ein Rechte-Konzept.“
Habe ich gesagt,
„Okay, dann schreibe ich das Rechte-Konzept.“
Die waren dann überrascht, weil das so kurz war. Da stand sowas drin wie, es gibt verschiedene Räume, die können offen oder geschlossen sein. Und jeder kann alles sehen, jeder kann alles editieren, es sei denn, es spricht ein guter Grund dagegen. Und dann gab es erstmal einen Aufstand, weil „
„Was ist das denn? Das ist ja kein Rechte-Konzept.“
„Doch, das ist relativ einfach, weil wir haben einen Raum und es gibt Verantwortliche dieser Räume und die können entscheiden, wer da rein darf oder nicht. Wer drin ist, darf alles sehen. Wer nicht reinkommt, sieht halt nichts.“
Geropp:
Ich meinte es noch weiter jetzt von der Geschäftsführung her. Du hast ja vorhin gesagt, du bist ein, bevor wir jetzt also auf das Wiki eingehen, du bist für offene Kommunikation. Wie weit offen ist denn sinnvoll?
Also wenn ich jetzt ein Unternehmen habe, klar ich kann meine Umsätze auch meinen Mitarbeitern öffentlich kommunizieren. Ich kann auch unseren Profit, unsere ganze Kostenstruktur, gehe ich dann noch so weit, dass ich auch die Gehälter veröffentliche? Wo hört es auf?
Ratajczak:
Kann man, wenn man denn will. Aber das kommt ja drauf an, also wie soll ich sagen, man hält ja mit so einer Aktion, wenn man von einem ganz verschlossenen Kommunikationsunternehmen ausgeht bis zu so einem offenen Ding, hält man das Unternehmen ja ein paar Monate an, weil alle ja völlig verwirrt sind. Erstmal gucken, was hat denn jetzt der für ein Gehalt und so. Das kann ja auch viel kleiner anfangen.
Geropp:
Okay.
Ratajczak:
Also man muss sich natürlich überlegen, was man öffentlich macht. Wenn der Geschäftsführer jetzt auf die Idee kommt, er verkauft sein altes Familienunternehmen an die Konkurrenz und ja, dann werden halt die Hälfte der Leute entlassen, aber er hat halt eine weiße Yacht, würde ich das da nicht reinschreiben. Man muss halt überlegen.
Es geht halt bei vielen, kleinen Sachen schon los. Einfach Fragen zu stellen als Geschäftsführer ist ja relativ einfach. Wir haben das mal ausprobiert mit einer Fortsetzungsgeschichte. Das war im Rahmen eines Tests vor einer Einführung, wie hieß das, ich glaube, Thomas sitzt in seinem Garten und überlegt, wohin er nächstes Jahr in Urlaub fährt, nach Ibiza oder nach Punkt, Punkt, Punkt.
Dann haben wir irgendwie 170 Tester da drauf gelassen und haben gesagt, „schreibt die Geschichte doch mal weiter.“ Und oh Wunder, plötzlich ging es halt los. Die Leute haben angefangen ein Dokument gemeinsam zu editieren und haben die Geschichte halt weitergesponnen. Irgendeiner hat dann zwischendurch einen totalen Rappel gekriegt und hat die ganz abstrus enden lassen schlagartig.
Worauf dann jemand wieder weiter machte und sagt, „Thomas erwacht aus diesem schrecklichen Tagtraum … Was gezeigt hat, dass Leute plötzlich, die ganz Standort unabhängig miteinander gearbeitet haben an dem Dokument. Das hat sich dann leider etwas selbstständig gemacht und das wurde praktisch Roman-Länge dieses Ding.
Ich habe dem Europa-Chef das auch erzählt und der hat mich dann auch ein bisschen angeguckt, aber es hat gezeigt, dass Leute plötzlich Standort übergreifend an einem System miteinander arbeiten können, an einem Thema, wenn es sie interessiert. Und genauso funktioniert es halt auch, warum kann der nicht mal einfach eine Frage stellen?
Oder sagen, Beispiel IT-Sicherheit alleine. Versetz dich doch mal in die Lage eines Konkurrenten. Was müsste der tun, um oder so? Vielleicht verpackt als kleine Detektiv-Geschichte und man wird feststellen, dass die Leute plötzlich kreative Ideen ausspucken und im Zweifelsfall auch kreative Ideen, wo die IT-Sicherheit die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und sagt, „oh Gott, da haben wir gar nicht dran gedacht.“
Geropp:
Okay. Wenn du jetzt sowas einführst und bei einem Unternehmen, was bisher sich gar nicht damit beschäftigt hat. Also du sagst, „super, damit wir jetzt besser kommunizieren, machen wir ein Unternehmens internes Wiki.“ Hast du da wirklich die Leute dann, die da bereit sind mitzumachen die einzelnen Mitarbeiter oder denken die hahaha, da halte ich mich lieber zurück?
Ratajczak:
Man kann sowas ja auch einführen als Trojanisches Pferd sozusagen. Man kann ja auch sagen, wir machen ein neues Intranet und parallel dazu bildet man halt so Multiplikatoren aus. Also wir haben das zum Beispiel in einem Beispiel mal gemacht. Da hat der CEO dann tatsächlich gesagt, wir führen ein neues Intranet ein. Bla, Bla, Bla.
Das wird noch ein halbes Jahr dauern, aber da wird es tolle Funktionen geben und wer sich jetzt unter dieser E-Mail-Adresse meldet, der kann freiwilliger Tester werden. Wir hatten sowas von schnell Hierarchie unabhängig, also von der Rezeption, Betriebsräte bis zu einem anderen C-Level, der gesagt hat, ich will mit testen, hatten wir innerhalb von zwei Tagen 170 freiwillige Tester.
Geropp:
Okay.
Ratajczak:
Und mit denen haben wir halt solche Sachen durchgespielt. Der Witz war natürlich, dass wir nicht nur wollten, dass die uns Fehler melden, sondern die sollten, das System war schon, ich will jetzt nicht sagen, nahezu perfekt, aber wir haben halt nur geschliffen und poliert, sag ich mal, zu dem Zeitpunkt, wo wir sie drauf gelassen haben. Das war halt schon eigentlich funktionsfertig. Wir haben das System schon längst intern benutzt, um das Projekt damit zu managen.
Geropp:
Und das war aber jetzt ein größeres Unternehmen?
Ratajczak:
Ja, das waren ungefähr 10.000 Mitarbeiter. Wir haben dabei 150 Gesellschaften konsolidiert.
Geropp:
Okay.
Ratajczak:
Zig verschiedene Standorte, später dann auch länderübergreifend. Das war schon ein Riese. Aber wenn man mehrere Standorte zum Beispiel hat, ist sowas auch sehr erhellend. Alleine standortübergreifende Zusammenarbeit, ich meine, ich weiß nicht, ob das bei Firmen, die 100 Mitarbeiter haben, auch schon so ist, dass sie zum Beispiel dann zwei verschiedene Exchange-Server haben und nicht auf den Kalender der anderen gucken können und so. Das kostet dann schon extrem viel Zeit, die nicht sein muss. Und so haben wir halt ein System in die Mitte gesetzt und haben gesagt, „schaut mal, ihr wollt einen Termin vereinbaren, dann macht das auch so.“
Geropp:
Also ich kenne es von bestimmten Firmen, wo die dann so ein Wiki eingeführt haben, aber das ist dann irgendwie so gestorben, weil das nicht richtig angenommen wurde. Was sind denn so die notwendigen Voraussetzungen, damit das nicht passiert?
Ratajczak:
Also ich sag mal, Backing von oben. Die Geschäftsführung muss mitmachen und das wollen. Also dazu muss sie es erstmal verstanden haben.
Geropp:
Das heißt, die Geschäftsführung muss auch selbst reinschreiben in die Richtung?
Ratajczak:
Ja, man kann sowas natürlich faken, aber das ist halt alles Murx. Man kann dann auch Weihnachtsgrüße, keine Ahnung, von jemandem schreiben lassen, der einen Account hat, der so aussieht, als wäre es der CEO.
Das ist aber nicht wirklich ernst, weil spannend wird das Ding halt erst, wenn da Kommunikation passiert und nicht Kommunikation durch ausgedruckte E-Mails, die dann über die Assistentin wieder zum Chef und so. Das bringt es halt nicht. Damit führt man das Ganze ad absurdum. Ich muss sagen, ich war ein Feind eines Wikis. Mehrfach.
Also ich bin seit 17 Jahren als Berater unterwegs und ich war zweimal für eine Software-Entwicklung verantwortlich. Und jedes Mal kamen die ITler an und sagten, „Oliver, schau mal, wir haben mal was total Tolles. Das steht alles drin. Da kann jeder und so alle Informationen finden und alles eintragen.“ Dann habe ich mir das angeguckt und habe gesagt, „ist ja schön. Wie kann ich das editieren?“ Und dann haben die mir das gezeigt. Das war halt so eine Art, ich will jetzt nicht sagen, Programmiersprache, aber man musste halt schon Kommandos eingeben.
Geropp:
Ja. Okay.
Ratajczak:
Und ich weiß nicht, ich habe Assembler und 64er programmiert und so und damals FORTRAN 77 in der Promotion. Ich bin da halt nicht so ein Freund von. Ich bin ein Mac-Nutzer und ich klicke halt ganz gern.
Geropp:
Das verstehe ich.
Ratajczak:
Und dann habe ich denen gesagt, „Leute, das ist doch nicht euer Ernst. Das könnt ihr doch nicht auf die, in Anführungsstrichen, normale Menschheit loslassen. Das versteht doch keiner?“ „Ja, aber wir verstehen das.“ „Ja genau, ihr versteht das, aber der Rest nicht.“
Nächstes Unternehmen, wieder eine Software-Entwicklung. Dasselbe Spiel. „Hey Oliver, wir haben ein total tolles Wiki.“ Die haben mir das gezeigt und ich habe gesagt, „das ist doch Murx, das geht nicht. Das können wir nicht ausrollen.“ Und dann ist bei mir irgendwann der Knoten geplatzt, als ich Confluence gesehen habe von Adlessian.
Die haben nämlich einen kleinen, entscheidenden Vorteil. Die haben nämlich den besten Web-Editor, den ich ever gesehen habe. Und ich bin seit 93 im Web. Da habe ich einiges gesehen. Der ist so simpel, also wenn ich eine Seite editieren will, klicke ich auf editieren und dann sieht das halt aus, wie in Word sozusagen. Also wer Word bedienen kann, kann das auch bedienen. Oben mit einer normalen Menüzeile. Wenn ich was fett machen will, markiere ich es und drücke fett oder Steuerung B. Schluss. Und Tabellen einfügen, ganz simpel.
Und plötzlich ermöglicht man halt Leute, die gerade mal im Zweifelsfall Word benutzen können, Inhalte in ein zentrales System einzustellen, was jeder selber editieren kann und wieder bearbeiten. Und das war für mich so der Punkt, wo ich gesagt habe, aha, jetzt weiß ich, was die ganzen ITler mir 17 Jahre lang sagen wollten, jetzt habe ich es verstanden. So ein Wiki ist nämlich toll, weil Informationen zentral abgelegt werden. Nicht redundant und nicht auf dem Rechner von Herrn Müller oder so, sondern die liegen halt in einem System. Jeder kann sich über das eigene Suchfeld finden.
Geropp:
Also wenn ich dich richtig verstehe, ist die erste Voraussetzung, damit sowas funktioniert, die technischen Hürden müssen so gering, wie möglich sein. Das heißt, das muss ein funktionsfähiges System sein, nicht nur für den IT-Spezialisten, sondern auch für den, ja der sich mit ganz anderen Sachen beschäftigt. Der sagt, ich habe jetzt keine Lust eine Programmiersprache deswegen zu lernen. Das verstehe ich. Also die Technik muss so sein, dass es halt schön nutzbar ist. Was sind sonstige Voraussetzungen?
Ratajczak:
Ein Backing sozusagen der Geschäftsführung hatten wir schon. Also die müssen halt dahinter stehen. Und man muss halt Momente finden, was haben die Leute davon, von so einem System? Weil die können ja heutzutage auch E-Mail versenden. Die können ja Dokumente machen wie wir. Wenn die ein Konzept schreiben, machen die ein Word-Dokument.
Packen das in eine E-Mail, schicken das an einen Verteiler und dann beginnt der Ärger. Dann bearbeitet der eine, schickt eine neue Version zurück, benamt die aber nicht richtig und dann hat man nachher einen riesen Kuddel Muddel. Einer fährt in Urlaub, kommt aus dem Urlaub wieder, bearbeitet dann das Dokument in der Version von zwei Wochen weiter und man muss Versionsstände abgleichen. Alles schlimm.
Aber prinzipiell können die ja heute auch schon so arbeiten. Die sagen, das kann ich heute schon, warum soll ich was neues lernen. Ich habe noch genug zu tun. Wir haben Mittagsgeschäft. Deswegen haben wir halt diesen Trick gemacht mit den Multiplikatoren. Wenn wir die gefunden haben, haben uns dann die Gruppen angeschaut und haben uns angeguckt, was ist der Knackpunkt, der den Leuten am Tag Arbeit spart. Wir haben halt verschiedene Gruppen identifiziert.
Wie zum Beispiel die Assistentinnen, die immer Ärger hatten abteilungsübergreifend teilweise sogar oder länder- oder standortübergreifend Termine zu vereinbaren. Dafür haben sie teilweise Doodle natürlich verwendet. Also halt Doodle kennst du wahrscheinlich, eine Terminabstimmung übers Internet. Tolles System. Ganz erstaunlich. Ich würde gerne mal wissen, was die Leute da so alles eintragen und hoch laden und so. Also früher mussten, sag ich mal, Wirtschaftsspione ja noch üble Sachen machen. Heute brauchen die nur noch auf der Rückseite von so einem Dienst sitzen und gucken, was die Leute da freiwillig hochladen.
Das ist natürlich aus IT-Sicht extrem schwierig. Aber sie haben es halt gemacht, weil die eigenen Systeme eben nicht so hilfreich sind. So haben wir uns halt verschiedene Sachen angeguckt. Assistentinnen zum Beispiel war Terminvereinbarung, war plötzlich einfacher. Projektmanager, die hatten das Problem, dass sie halt immer Berichte schreiben mussten, extrem aufwendig in PowerPoint.
Alle paar Wochen gab es einen Steuerungsgremium und da musste man das vorbereiten. Und wir sind halt hingegangen und haben denen gesagt, „schaut mal. Stellt euch doch mal vor, ihr macht euer Projekt sowieso in dem System und wenn sich eine Änderung ergibt, tragt ihr die halt auf der einen Seite ein, wo das ganz schade ist, wann ist jetzt welcher, genau, wann ist die nächste Projektstufe fällig, et cetera. Wenn sich was verschiebt, kommentiert ihr das auf dieser einen Seite und wenn jetzt jemand kommt und sagt, schiebt mir mal den aktuellen Bericht, schickst du ihm den Link zu dieser Seite, die aktuell gepflegt wird.
Das kann natürlich zu einer Revolution führen, weil die sagen, „ja, nein, das geht ja nicht. Der will das ja immer ausgedruckt haben.“ „Gut, dann drückst du da oben mal auf PDF erzeugen, dann hast du es.“ Man hat den Leuten aber damit schnell zeigen können, dass es extrem Arbeit sparen kann. Und das ist genau der Knackpunkt.
Du musst halt Zielgruppen finden, die es in diesem Unternehmen gibt und für jeden irgendeinen Nutzen bringen. Und wenn die das dann verstanden haben, laufen die nämlich brennend durchs Unternehmen und sagen, „das ist total toll, weil das spart mir jetzt Arbeit.“ Oder „ich finde die Information schneller.“
Ich habe Diskussionen im großen Projekt gehabt mit dem Empfang sozusagen, weil die hatten dann Leute da und die sagen dann, „ich habe einen Termin beim Herrn Müller.“ Dann sagen die, „ja, welcher Herr Müller?“ „Weiß ich auch nicht.“ Und dann geht es halt los. Wer war denn das jetzt? Passiert dann manchmal, dass die Excel-Listen pflegen mit Mitarbeitern, die aber wieder nicht abgeglichen sind mit Personal. Dahinter ist SAP und schlimme Dinge. Und wir haben halt in diesem Intranet einfach die Benutzer-Verzeichnisse angebunden und haben das Ganze halt synchronisiert und schon hatten wir zack das aktuellste Telefonbuch des ganzen Konzerns in einem System. Und haben denen halt gezeigt, gibst du halt Müller ein, dann filterst du noch nach Standort und dann sagt der vielleicht, das ist irgendwas mit Marketing und zack hatten sie den Herrn Müller.
Geropp:
Ja. Ich verstehe.
Ratajczak:
Und das sind halt so Momente, wo Leute, die wirklich nicht IT-affin sind, sagen, wow, das hilft mir.
Geropp:
Ja. Kann ich nach vollziehen.
Ratajczak:
Und diese Wow-Momente musst du halt erzeugen.
Geropp:
Was machst du denn mit, sagen wir mal, Mitarbeitern, die auch ein bisschen Angst haben, ihr eigenes Wissen absolut preiszugeben, weil dieses Wissen ja einen Vorteil für sie darstellt, weil sie glauben, deswegen unabkömmlich zu sein? Wie kriegst du die dazu, ihr Wissen wirklich preiszugeben in so ein System zu pflegen, die Leute, den Kollegen das ja quasi ohne Gegenleistung zu überlassen?
Ratajczak:
Das ist eben das Thema, was ich von Anfang an meinte. Das ist ein Thema der Firmenkultur, Fehlerkultur, hat man Angst seinen Job zu verlieren. Das muss man halt natürlich nehmen. Also wenn so ein System eingesetzt werden soll, um praktisch Effizienzen zu schaffen und dann Leute direkt zu feuern, das hilft ja nicht.
Geropp:
Ja.
Ratajczak:
Das muss halt schon klar sein. Aber es gibt extrem viele Leute, die ich kennengelernt habe, die sind auch unzufrieden mit ihrer Arbeit. Die sitzen da und machen halt Sachen und versuchen möglichst nicht aufzufallen. Aber die sind damit auch zufrieden. Und die denken, ich muss halt diese blöde Liste immer pflegen.
Das ist total anstrengend und nervig, aber ich mache es mal halt. Bloß nicht meckern. Wenn man denen das halt abnimmt und sagt, „schaut mal, in der Zeit könnt ihr sinnvollere Sachen machen oder Sachen, wo ihr Spaß dran habt“ oder so. Es eröffnet sich dadurch ja plötzlich eine Sicht auf ein Unternehmen und wenn vieles transparenter wird, als vorher, warum soll nicht jemand aus der IT mal beim Marketing reinstöbern und sagen, was macht ihr denn da? Habt ihr dabei dran gedacht, das und das technisch nachher da und da auf die Füße fällt?
Geropp:
Das verstehe ich. Ja macht Sinn.
Ratajczak:
Das ist natürlich, kann eine Revolution werden. Als wir damals das System bei dem Großkonzern eingeführt haben, war ich als Berater eingestellt und ich habe halt das System eingeführt. Wir hatten eine Projektgruppe. Und ich habe halt Konzepte geschrieben in dem System direkt. Und gelegentlich habe ich dann eine E-Mail bekommen, dass eine Sofie aus Frankfurt gelegentlich mal an meinem Konzepten was geändert hat. Und ich dachte so, was bitte? Hallo? Wer ist hier der Projektleiter? Und dann habe ich geguckt, was hat die da geändert und dann habe ich festgestellt, dass die immer meine Schreibfehler korrigiert hat, weil ich immer Intanet geschrieben anstatt Intranet.
Und nach dem dritten Mal habe ich dann gedacht, okay, bevor ich das nächste Mal speichere, gucke ich noch mal genau hin, was ich da überhaupt schreibe. Das war halt so ein Schlüsselmoment auch für mich, wo ich gesagt habe, guck mal, die hat es zwar geändert bei dem externen Berater, aber sie hat es einfach gemacht und dadurch ist das ganze Ding besser geworden. Das halt Miteinander kann halt durchaus was Besseres rauskommen.
Geropp:
Ja. Und man kommt wahrscheinlich auch nicht nur über das System in Kontakt, sondern kann auch so dann mal miteinander mal sprechen. Kannst du noch mal in der Kaffeeküche oder so über die Themen?
Ratajczak:
Genau. Das ist mir halt auch passiert. Als externer Berater hat man ja meistens nur Kontakt zu der Projektgruppe oder ein paar bestimmten Keyplayern. Und mir ist dauernd passiert in der Kantine, dass Leute mich begrüßt haben. Ich dachte, was ist denn jetzt hier los? Naja, jeder Kommentar und alles war halt mit einem kleinen Profilbild von mir versehen und deswegen kannten die mich halt schon.
Und das hat auch dazu geführt, dass mich an der Rezeption mal jemand angefragt hat und hat gesagt, „Sie haben doch da was mit diesem Intranet. Kommen Sie mal her. Wir haben da ein Problem.“ Und ich bin halt auch einer, der sagt nicht, ja, dann machen Sie einen Projektantragt und so, gucken wir mal. Und wenn es dann bei mir ist, sondern ich versuche dann halt auch das Problem zu lösen. Und es sind halt auch so extreme Multiplikatoren, wenn ich da gleich Gegenwind von Anfang an habe, dann macht das keinen Sinn.
Geropp:
Ja. Ja. Das kann ich gut verstehen.
Ratajczak:
ist ja auch gelegentlich bei größeren Konzernen, wenn ich die nicht von Anfang an im Boot habe und den zeige, warum das Ganze sinnvoll ist, dann habe ich im Zweifelsfall Gegenwind, den ich nicht gebrauchen kann.
Geropp:
Ja. Oliver, was ist denn deine Einschätzung, wie sich so die interne Zusammenarbeit in Unternehmen in den nächsten zehn Jahren verändern wird mit der ganzen weiteren Digitalisierung und wir sind da ja überall in Veränderungen eingebunden. Was passiert aus deiner Sicht da? In welche Richtung geht es?
Ratajczak:
Ich bin fest davon überzeugt, dass sich da die Spreu vom Weizen der Unternehmen trennen wird. Nämlich beim Kampf um die Mitarbeiter. Das ist ja schon vielen klar, dass sie da was tun müssen, aber dann wird halt manchmal so oberflächlich was getan. Die potenziellen Mitarbeiter in ihrer Freizeit, keine Ahnung. Ich kannte jemanden, der war ganz unscheinbar in der IT und dann irgendwann festgestellt, dass der im Karnevalsverein in Köln eine riesen Organisation gemacht hatte, ein Budget verwaltet hatte, das fast größer war, als das der ganzen Firma, aber den hatte niemand auf dem Schirm.
Und der organisiert da wie ein Weltmeister und hat das natürlich mit allen möglichen Systemen benutzt da draußen. Doodle und Google docs und so. Und die Leute sehen das doch. Da draußen im Web gibt es diese Dinge. Die sind total nützlich und das macht Spaß und man kann damit viel besser zusammenarbeiten als im Zweifelsfall mit dem System, die wir von der IT in unserem Haus kriegen. Und das verstehen die. Also ich glaube, in zehn Jahren versteht das keiner mehr und die werden das nicht mehr akzeptieren. Die werden sagen, „hallo, ich bin hier um zu arbeiten und nicht um schlechte Prozesse zu bedienen oder keine Ahnung. Irgendwie noch mal was abzutippen.“ Also ich hoffe da inständig drauf, dass viele Leute da beim Thema abtippen demnächst mal die rote Fahne heben und sagen, mache ich nicht mehr. Das macht keinen Sinn.
Geropp:
Ja. Ja.
Ratajczak:
Baut da bitte eine Schnittstelle.
Geropp:
Ja, also ich bin da gespannt, wie sich das entwickelt.
Ratajczak:
Es geht halt darum, die Mitarbeiter auch mitzunehmen. Also die sind ja nicht, wie soll ich sagen, die Zeiten von Ford sind ja lange vorbei, wo der gesagt hat, „ich will eigentlich nur zwei Hände, warum kriege ich immer ein Hirn dazu.“ Ich glaube, es geht auch ums Hirn. Und da bin ich fest von überzeugt. Und die Leute muss man halt motivieren. Und wenn man das nicht hinkriegt, weil man selber zu träge ist, bin ich fest davon überzeugt, in zehn Jahren hat man ein Problem, wenn man dann noch am Markt ist.
Weil so ein Unternehmen ist ja nicht dazu da, um einfach da zu sein, sondern de facto ist es dazu da, um Produkte zu bauen, diese zu verkaufen, damit Gewinn zu machen, seine Mitarbeiter zu bezahlen, im Zweifelsfall sich weiter zu entwickeln, immer gegen den Wettbewerb da draußen. Und die Jungs sind schnell und auch erfinderisch.
Ich hatte vor kurzem eine Diskussion mit jemandem aus dem Versicherungs-Markt und habe gesagt, „wer ist Ihre Konkurrenz?“ Kamen halt die großen Namen der anderen Versicherer. Habe ich gesagt, „was ist zum Beispiel mit Apple? Ist das eure Konkurrenz?“ „Nein.“ Habe ich gesagt, „okay, pass mal auf. Ihr verkauft hier eine Versicherung, irgendwie Altersvorsorge oder sowas. Und Apple ist total toll und die Leute wollen ihr neues iPhone verkaufen, das kostet 2.000 Euro und die Leute überlegen sich, mache ich eine Altersvorsorge oder kaufe ich mir so ein iPhone? Das ist eure Konkurrenz.
Da, wo die Leute sagen, das ist toll, das will ich haben und Altersvorsorge ist spät noch hin. Jetzt will ich ein iPhone. Die haben halt nur ein begrenztes Budget. Und wenn die Konkurrenz, also alle Leute da draußen, die in dieses Budget greifen, das irgendwie besser machen als ihr, habt ihr ein Problem. Der Wettbewerb ist nicht nur die, die im Branchenbuch sozusagen drüber oder drunter stehen.
Geropp:
Ja. Das verbreitert sich. Da denke ich, hast du Recht. Oliver ich bedanke mich recht herzlich für das spannende Gespräch, vor allem diese unternehmensinternen Wikis, das finde ich eine sehr spannende Sache. Ich bin mal gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren in den Unternehmen entwickelt. Herzlichen Dank für unser Gespräch.
Ratajczak:
Danke dir.
Das inspirierende Zitat
„Der Teamgeist ist heut‘ hoch gefragt, weil man im Team sich leichter plagt; doch die Gemeinschaft hält nicht lang‘, wenn man nicht zieht am selben Strang.“
Oskar Stock
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