So vermeiden Sie Rückdelegation!
Wenn eine Aufgabe, die Sie an einen Mitarbeiter delegiert haben, wieder bei Ihnen landet – und Sie sie dann zu Ende bearbeiten. Das nennt man Rückdelegation oder auch Monkey Business.
Wenn Sie als Chef die rückdelegierten Aufgaben annehmen, dann machen Sie die Arbeit, die eigentlich Ihre Mitarbeiter machen sollten. Das ist fatal, da Sie ja dann keine Zeit für Ihre eigentlichen Aufgaben haben.
Im Folgenden beschreibe ich, warum so viele Führungskräfte mit Rückdelegation ihre Probleme haben und wie Sie sie vermeiden können.
Was ist Rückdelegation genau?
Am besten lässt sich das an einem Beispiel erklären:
Letze Woche haben Sie eine wichtige Aufgabe an Ihren Mitarbeiter Herrn Maier delegiert. Er sollte bis Ende nächsten Monats den Abschlussbericht für das Projekt XY verfassen.
Herr Maier kennt das Projekt gut und er hat auch alle Informationen darüber. Sie haben volles Vertrauen in ihn und in seine Fähigkeiten. Deswegen haben Sie auch mit ihm ausgemacht, dass er nur kurz zurückmeldet, wenn er den Bericht fertig und verschickt hat.
Heute sind Sie jetzt gerade dringend auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung. Da spricht Sie Herr Maier zwischen Tür und Angel an.
„Chef, gut dass ich Sie sehe. Ich hab da ein Problem. Ich soll doch den Projektbericht schreiben. Ich hab da zwar was zusammengestellt, aber irgendwie komm ich nicht richtig weiter. Sie kennen sich doch gut mit XY aus. Könnten Sie da vielleicht kurz mal über das schauen, was ich da geschrieben hab und vielleicht ein Paar Stichworte ergänzen?“
Und? Wie reagieren Sie? In Gedanken sind Sie eigentlich ganz wo anders – nämlich schon bei Ihrer Besprechung. Ja klar. Sie sind der Experte für das Projekt XY, aber eigentlich haben Sie da jetzt weder Zeit noch Kopf dafür. Sie denken nur:
„Wie wimmel ich Herrn Maier nur möglichst schnell ab?“
Also sagen Sie:
„OK. Maier, geben Sie mal her. Ich kümmere mich später drum.“
Und schwupp – schon haben Sie wieder eine Aufgabe mehr auf Ihrem Schreibtisch – eine Aufgabe, die Sie eigentlich an Ihren Mitarbeiter delegiert hatten, oder?
Monkey Business
Viele Führungskräfte tappen in diese Falle, genannt Rückdelegation. Bereits 1974 gab es hierzu einen schönen Beitrag in der Zeitschrift Harvard Business Review. Der Titel:
„Management Time: Who’s got the monkey?“
auf deutsch : Wer hat den Affen?
Die Autoren Oncken und Wass verglichen die zu delegierende Aufgabe mit einem Affen. Wer gerade an der Aufgabe arbeitet und wer dafür verantwortlich ist, das es mit der Aufgabe voran geht, der trägt den Affen auf seiner Schulter. Solange er den Affen hat muss er ihn pflegen und füttern. Das ist aufwendig und kostet Zeit. Wem das zu viel wird, der versucht den Affen loszuwerden: und da kommt dann der Chef ins Spiel.
Delegiert der Chef eine Aufgabe, so setzt er den Affen beim Mitarbeiter auf die Schulter. Nach erfolgreicher Rückdelegation sitzt der Affe aber wieder beim Chef auf der Schulter. Und wenn der Chef viele Mitarbeiter hat und sich nicht wehrt: dann sitzen bald ganz viele Affen auf seiner Schulter. Da geht es zu wie im Zoo.
Der Chef als Flaschenhals
Zum richtigen Arbeiten an wichtigen Führungsaufgaben kommen Sie dann nicht mehr. Wer immer wieder die Aufgaben, also die Affen, seiner Mitarbeiter zurückbekommt, steckt im sogenannten „Monkey Business“.
Das heißt: der Chef beschäftigt sich mit Sachaufgaben, die eigentlich nicht er erledigen soll. Er macht die Arbeit seiner Mitarbeiter. Ja es geht sogar so weit, dass die Mitarbeiter auf ihren Chef warten müssen. Der Chef wird zum Flaschenhals.
Die Mitarbeiter beschweren sich dann:
„Unser Chef bekommt nichts auf die Reihe. Der halst sich viel zu viel auf. Wir können gar nicht weitermachen, weil sich die Arbeit bei ihm auf dem Schreibtisch stapelt. Wer hat den eigentlich zur Führungskraft gemacht?“
Wie und warum passiert Rückdelegation?
Die Situation ist: Sie haben eine Aufgabe delegiert und Ihr Mitarbeiter versucht die delegierte Aufgabe wieder an Sie zurück zugeben. Die Frage ist erst mal: Warum?
Es kann viele Ursachen haben. Beispielsweise steht der Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck, egal ob nur gefühlt oder tatsächlich. Die Arbeit wird ihm einfach zu viel. Er hat sich zu viel vorgenommen oder zugesagt, will das nicht zugeben und versucht deshalb einen Teil der Arbeit loswerden.
Vielleicht hat der Mitarbeiter auch zu wenig Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten oder fühlt sich überfordert. Auch hier hat er die Aufgabe zwar angenommen, aber erkennt im Laufe der Zeit, sie wächst ihm über den Kopf.
In diesen Fällen braucht Ihr Mitarbeiter Ihre Hilfe und Ihre Unterstützung. Das bedeutet aber nicht, dass Sie seine Aufgabe einfach übernehmen.
Nicht lösen, sondern fragen
Gehen wir davon aus, dass Sie die Aufgabe richtig delegiert haben. Wie das geht lesen Sie hier. Stellen Sie sicher, dass der Mitarbeiter die Kompetenz hat, die Aufgabe zu lösen. Wenn es Probleme gibt, sind Sie zwar ansprechbar, aber bitte nicht zwischen Tür und Angel. Belassen Sie die Verantwortung bei Ihrem Mitarbeiter, aber vereinbaren Sie einen Gesprächstermin, an dem Sie sich das Problem erläutern lassen und dann fragen Sie:
„Was würden Sie denn tun, wenn ich nicht da wäre?“
„Was haben Sie denn bisher unternommen, um das Problem zu lösen?“
„Welche Ideen haben Sie, um das Problem zu lösen?“
„Welche Entscheidungen brauchen Sie, um das Problem zu lösen?“
„Was genau brauchen Sie jetzt von mir?“
Mit dieser Art von Fragen coachen Sie Ihren Mitarbeiter. Damit erreichen Sie, dass er nicht auf der Problemseite stehen bleibt, sondern selbst auf eigene Lösungen kommt.
Viele Führungskräfte sind es gewohnt, schnell Entscheidungen zu treffen und lösungsorientiert zu denken. In einem solchen Mitarbeitergespräch müssen Sie aber den Impuls unterdrücken selbst die Lösung zu erarbeiten.
Wenn Sie das Problem lösen, trainiert das schließlich nicht das Lösungsverhalten Ihres Mitarbeiters. Sie helfen ihm nicht wirklich, sondern machen ihn abhängig. Denn wenn er dann das nächste Mal ein Problem hat, geht er lieber gleich zu Ihnen statt selbst an der Lösung zu arbeiten. Das ist nicht das was Sie wollen, oder?
Deshalb unterstützen Sie mit Fragen. Reden sie wenig, erklären Sie wenig, aber fragen Sie. Helfen Sie ihrem Mitarbeiter, indem Sie ihn coachen, selbst auf die Lösung zu kommen. Unterdrücken Sie Ihren Problemlösungsreflex.
Warum werden viele ausgetrickst?
Viele Führungskräfte wollen sich durchaus auch so verhalten. Aber irgendwie klappt es manchmal nicht. Sie stellen immer wieder fest, dass sie doch irgendwie scheinbar ausgetrickst wurden. Auf einmal sitzt der Affe doch wieder auf der Schulter des Chefs. Wie konnte das nur passieren?
Manche Führungskräfte befürchten, dass ihr Mitarbeiter Sie für entscheidungsschwach oder nicht kompetent halten könnte, wenn Sie ihm nicht das Problem lösen. Andere können nicht nein sagen, da Sie einen Reflex des Helfen-Wollens haben oder es Sie einfach reizt, mal wieder eine komplexe Sachaufgabe zu übernehmen.
Manchmal reagieren Führungskräfte aber auch einfach falsch.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen:
Sie sind bisher als Sacharbeiter der Experte auf Ihrem Gebiet gewesen – und dann wurden Sie befördert. Jetzt haben Sie die Führungsrolle inne und wissen, dass Sie Sacharbeiten an Ihre Mitarbeiter abgeben sollten.
Es ist nicht Ihre Aufgabe die Arbeiten Ihrer Mitarbeiter zu erledigen. Das ist Ihnen klar! Aber ganz tief in Ihrem Inneren sind Sie doch stolz drauf, nach wie vor als Experte wahrgenommen zu werden und nicht nur Führungskraft. Sie wollen den Status des Fachmanns behalten.
Normalerweise stellt dieses Bedürfnis für Sie auch kein Problem dar. Wenn Sie konzentriert sind oder genug Zeit zum Nachdenken haben, entscheiden Sie sich rational immer für die Führungsrolle und geben konsequent die Sacharbeiten an Ihre Mitarbeiter ab.
Anders sieht es aber aus, wenn Sie unter Stress sind und kurzfristig entscheiden müssen – ohne großes Nachdenken – z.B. wenn Sie in Gedanken schon im nächsten Meeting sind und von Ihrem Mitarbeiter unvorbereitet auf dem Flur auf dem Weg dorthin angesprochen werden.
Wenn der dann noch so Sätze sagt wie:
„Chef, können Sie da mal drüber schauen? Sie kennen sich da doch am besten aus mit…“
dann ist die Gefahr groß, dass Sie Ihrem Wunsch nach Bestätigung nachgeben. Sie genießen das kurzfristige gute Gefühl als Experte von Ihrem Mitarbeiter wahrgenommen zu werden. Es tut dem EGO schließlich gut benötigt zu werden und als Fachmann anerkannt zu sein. Langfristig allerdings haben Sie sich damit einen weiteren Affen auf Ihre Schulter geladen.
Wie können Sie Rückdelegation vermeiden?
Wie können Sie das also am besten vermeiden? Einfach das Gespräch abblocken mit dem Ausspruch:
„Soll ich etwa Ihre Arbeit erledigen?“
Ist nicht konstruktiv. Das ist frustrierend und führt nur dazu, dass Ihre Mitarbeiter das Gefühl haben, keine Unterstützung von Ihnen zu bekommen.
Die Lösung ist: Sie vereinbaren mit Ihrem Mitarbeiter einen Termin, um das Problem in Ruhe zu besprechen:
„Herr Maier, jetzt passt es nicht gut. Aber wir können das gerne in einer halben Stunde in meinem Büro besprechen.“
Sie schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen: Sie lassen sich nicht fremdbestimmen und beugen Ihrem Impuls vor, doch wieder in die Expertenrolle schlüpfen zu wollen. Zum anderen geben Sie Ihrem Mitarbeiter genügend Zeit, um nochmal über sein Problem nach zu denken. Vielleicht kommt er ja auch ohne Ihre Hilfe auf eine Lösung.
Um sich langfristig vor den Affen zu schützen, sollten Sie darauf achten, dass Sie Ihre Mitarbeiter zu selbständigem Denken und Handeln anleiten. Wenn Sie eine Aufgabe delegiert haben, vertrauen Sie dem Mitarbeiter. Wenn Sie aber ständig nachfragen und überprüfen vermitteln Sie dem Mitarbeiter, dass Sie glauben, er schafft es nicht. Sie untergraben sein Selbstvertrauen. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn Ihre Mitarbeiter ständig mit Problemen zu Ihnen kommen.
Erkenntnisse beim Umgang mit „Affen“
Hier nochmal die wichtigsten Erkenntnisse beim Umgang mit der Rückdelegation oder besser gesagt mit den Affen:
1. Jeder Affe kostet Zeit!
Überlegen Sie sich gut, was Sie zusagen. Wollen Sie wirklich dem Wunsch eines Mitarbeiters nachkommen und an einem unwichtigen Projektmeeting teilnehmen? Denken Sie immer bevor Sie handeln oder Zusagen machen. Ein Meeting kann Sie schnell mehrere Stunden kosten. Zeit, die Sie wahrscheinlich besser nutzen könnten.
2. Mit jedem Affen kommt ein Aufpasser!
Wenn Sie eine Aufgabe übernommen haben, dann gibt es oft andere, die von der Fertigstellung dieser Aufgabe abhängen. Wenn Sie die Aufgabe übernehmen, müssen Sie also Rechenschaft gegenüber anderen ablegen. Sie machen schließlich eine Zusage – und dabei spielt es keine Rolle auf welcher hierarchischen Stufe Ihr Überwacher steht.
3. Ein Affe kommt selten allein!
Wenn Sie eine Aufgabe Ihres Mitarbeiters übernehmen, wird dieser für sein Verhalten belohnt. Er hat eine unangenehme Aufgabe rückdelegiert an seinen Chef, hat mehr Zeit für sich und darf sogar noch seinen Chef überwachen nach dem Motto:
„Chef, haben Sie den Bericht schon fertig?“
Na super! Was passiert da? Zukünftig wird der Mitarbeiter versuchen Ihnen noch mehr Affen aufzuladen. Ist für ihn ja durchaus sinnvoll.
Füttern Sie nicht die Affen Ihrer Mitarbeiter!
Versuchen Sie Rückdelegation konsequent zu vermeiden. Nicht nur in Ihrem Interesse sondern auch im Interesse Ihrer Mitarbeiter.
4 Arten von Chefs die in die Rückdelegationsfalle tappen
1. Der Kontrolletti
Der Kontrolletti ist eine Unterform des Mikromanagers.
Er gibt seinen Mitarbeitern alles bis ins Kleinste vor und räumt ihnen keinen Freiraum ein, eigene Wege zu gehen. das ist hochgradig demotivierend und frustrierend.
Vor allem aber prägt ihn, dass er alles unter Kontrolle haben möchte. Er hat eine fast panische Angst vor Kontrollverlust. Er will Klarheit, Berechenbarkeit und über alles und jeden informiert sein.
Dieser Kontrollwahn ist frustrierend und demotivieren für den Mitarbeiter. Aber auch für die Führungskraft hat so ein Verhalten negative Auswirkungen. Aufgrund der Angst vor Kontrollverlust und dem geringen Vertrauen in die Mitarbeiter übernimmt der Chef letztendlich die Aufgabe selbst:
Das Schlimme daran ist: Mit der Zeit erzieht der Chef seine Mitarbeiter so zur Unselbstständigkeit. Nach einiger Zeit wundert er sich dann, warum die Mitarbeiter scheinbar keine eigenen Ideen haben.
2. Der Workaholic
Der Workaholic verbringt gut und gerne seine 60-70 Stunden pro Woche im Büro. Abends um 22 Uhr sitzt er noch alleine im Büro. Seine Devise: „Augen zu und durch!“
Je mehr Aufgaben er zu erledigen hat, desto wohler fühlt er sich.
Der Workaholic holt sich hier eine weitere Aufgabe auf seinen Schreibtisch, obwohl dort sicher eigentlich gar kein Platz mehr ist. Um sich selbst und anderen zu zeigen, wie belastbar er ist, sagt er trotzdem „Ja“ und tappt somit in die Rückdelegationsfalle.
3. Der ungeduldige Macher
Der ungeduldige Chef arbeitet mit einer sehr hohen Taktfrequenz. Er entscheidet schnell und arbeitet auch oft an mehreren Aufgaben gleichzeitig. Er ist permanent in Action.
Wenn die Mitarbeiter nach seinem Befinden zu langsam arbeiten, delegiert er die Aufgabe lieber wieder an sich zurück. Da erledigt er sie lieber selber, anstatt zu warten.
4. Der Kumpel
Der Chef als Kumpel-Typ kann auch Vorteile haben. Mit seinem feinen Gespür für andere ist er gerne Ansprechpartner bei persönlichen Problemen. Harmonie ist für ihn besonders wichtig.
Allerdings kann ein solcher Chef schlecht Nein sagen. Der Kumpel möchte von allen gemocht werden und will es jedem recht machen. So ein Verhalten führt zwangsläufig zu Problemen denn – kurze dramatische Pause – die Mitarbeiter lernen schnell, wenn der Chef nicht Nein sagen kann und nutzen das dann auch mal aus.: