FPG 156 – Richtig verhandeln – Interview mit Jack Nasher
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Vor Kurzem war ich in Düsseldorf und habe die Gedanken Tanken Rednernacht besucht.
Wieder mal hat Stefan Frädrich dort einen tollen Event veranstaltet und 11 inspirierende Redner auf die Bühne gebracht. Allesamt anregende und spannende Vorträge.
Einer der Redner war Prof Dr. Jack Nasher. Sein Vortrag hat mich besonders angesprochen, da er sehr schön veranschaulichte, worauf es beim richtig verhandeln ankommt.
Richtig verhandeln mit Jack Nasher

Richtig verhandeln mit Jack Nasher
Jack Nasher lehrt an der Munich Business School zum Thema Führung und Organisation und er ist Verhandlungsexperte.
Seine drei letzten Bücher wurden allesamt Spiegel-Bestseller und erschienen in mehr als einem halben Dutzend Ländern, u.a. in China, Russland und Korea.
Da ich kein Verhandlungsexperte bin, aber auf dem Gebiet immer was lernen will, habe ich ihn zum Interview eingeladen. Wir sprachen darüber, wie man sich auf eine Verhandlung erfolgreich vorbereitet, worauf es wirklich ankommt bei einer Verhandlung und wie man Lügen und Pokern beim Geschäftspartner erkennen kann.
Deal – Du gibst mir was ich will
ist ein Ratgeber, der die Grundregeln des Verhandelns erklärt. viele Anekdoten und zahlreiche Fallbeispiele aus dem Alltag. Lesenswert.
Entlarvt
Auch lesenswert ist sein Buch:
Hier geht es um die effektivsten Verhörtechniken, die Profis und Geheimdienste einsetzen, um an die ganze Wahrheit zu kommen.
Das inspirierende Zitat
„Alle Kriege enden mit Verhandlungen. Warum also nicht gleich verhandeln?“
Jawaharal Nehru
Weiterführende Links:
- Webseite von Jack Nasher
- Buch:
„Deal – Du gibst mir was ich will“ - Buch:
„Entlarvt – Wie Sie in jedem Gespräch an die ganze Wahrheit kommen – mit den besten Tricks und Techniken der Geheimdienste“ - Erfolgreich Verhandlungen führen
Das transkribierte Interview mit Jack Nasher
Geropp:
Herr Nasher, es gibt Menschen, die bei jeder Gelegenheit verhandeln, um für sich das Beste rauszuholen. Die haben auch richtig Spaß eigentlich immer am Handeln.
Meine Frage ist: Ist das wirklich sinnvoll? Ich meine, wenn man ständig nur in diesem Verhandlungsmodus ist oder wie sehen sie das?
Nasher:
Ich sehe es nicht so. Also ich handle auch nicht über alles. Ich habe oft gar keine Lust. Und viele wundern sich und sagen, „du müsstest doch die ganze Zeit handeln“, aber das mache ich nicht. Ich mache es nur dann, wenn es wirklich wichtig ist, wenn es um irgendwas geht.
Geropp:
Das beruhigt mich.
Nasher:
Sonst wird es ja lästig.
Geropp:
Wann entscheiden Sie sich denn dafür zu verhandeln? Wie merken Sie, ob es sich lohnt oder nicht?
Nasher:
Sobald es um etwas Größeres geht. Ich habe da jetzt nicht eine besondere Zahl, aber sobald es um ein paar Hundert oder paar Tausend geht, dann schalte ich mich ein, weil ich weiß, es gibt einen Preis, für den, der verhandelt und einmal ein Preis für den Deppen, der es halt nicht tut. Und damit kann ich leben oft, aber manchmal nicht.
Also wenn ich, wie gesagt, wenn es halt wirklich um wesentliche Sachen geht, ich meine, es wäre ja dumm, wenn ich ein Auto kaufe und nicht handele zum Beispiel. Und da die Techniken zu kennen, darum geht es ja. Es geht nicht darum, dass ich sage, „Hier Leute, das ganze Leben ist ein Basar“, das ist nicht der Fall. Also manche sehen es vielleicht so, wenn es ein Hobby ist, dann handeln sie halt ständig.
Ich neige auch dazu. Oder ich habe vor allen Dingen früher dazu geneigt noch häufiger zu verhandeln, aber irgendwie, wenn man das beruflich macht, glaube ich, dann wird man ein bisschen relaxter.
Bei mir ist auch jeder misstrauisch. Das kommt noch dazu, dass sie denken, oh Gott, jetzt handele ich mit dem, googeln mich und sehen, Verhandlungsexperte und das ist so, da habe ich mir ins eigene Bein geschossen sozusagen. Das ist wie damals zu besten Zeiten Jean Claude van Damme oder Arnold Schwarzenegger wurden immer verprügelt in der Disco.
Geropp:
Das stimmt.
Nasher:
Damit jeder sagen konnte, ich habe dem die Fresse poliert und so ähnlich geht es mir auch. Alle sagen, dem will ich mal zeigen, wo der Hammer hängt.
Geropp:
Oder so, wie in diesen alten Western, wo der beste Revolverheld auch immer herausgefordert wurde. Ja, das kann ich mir vorstellen.
Nasher:
Genau.
Geropp:
Wenn wir da mal ein bisschen näher einsteigen, wenn Sie jetzt sich entschieden haben, das ist eine wichtige Verhandlung, worauf achten Sie, wenn Sie sich vorbereiten auf eine Verhandlung?
Worauf sollte man prinzipiell besonders achten, wenn man sich auf so eine Verhandlung vorbereitet?
Nasher:
Ja. Also viele sagen ja, man muss sich vorbereiten. Auf die Fahne, das ist immer schön gesagt, aber ich habe mich damals auch immer gefragt, als ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt habe, wie soll ich mich denn vorbereiten? Ja. Toll. Vorbereiten, aber was?
Der Punkt ist, also das A und O ist die Alternative. Es gibt nichts Wichtigeres, als eine starke Alternative zu haben, wenn man in die Verhandlung geht und da fängt es schon oft an, dass viele sagen, „ach, ich gehe erstmal in die Verhandlung, schaue mir mal an und dann gucke ich mal.“
Oder die Leute sagen, „komm ich gehe erstmal zu meinem Favoriten und wenn das nicht klappt, dann gehe ich zum Zweiten auf der Liste. Und wenn das auch nicht klappt, gehe ich zum Dritten.“ Mit dem Ergebnis, dass ich immer schwächer und schwächer werde. Irgendwann bin ich so klein mit Hut und das ist eben das Problem.
Ich müsste es umgekehrt machen. Die Liste hoch arbeiten. Sagen wir mal, ich habe erste Wahl, zweite Wahl, dritte Wahl, dann fange ich mit der Dritten an und wenn ich dann schon ein Angebot habe, dann gehe ich zu meiner zweiten Wahl, bin dann stark. Ich bin dann schon jemand, weil ich eine Alternative habe und gehe dann erst zu meiner ersten Wahl, also mit irgendwas im Petto.
Das heißt, das A und O in der Verhandlung ist, damit ich jemand bin, ob ich jetzt eine Gehaltserhöhung will von meinem Chef oder ob ich von meinem Zulieferer eben bessere Preise haben möchte, das geht praktisch nur dann oder jedenfalls leichter, weil der andere merkt, ob man stark ist oder nicht, wenn ich eine Alternative habe. Das heißt, Vorbereitung Nummer 1 mit Abstand, Abstand wichtigste ist, eine starke Alternative zu haben.
Geropp:
Also Optionen. Die Alternative kann ja auch sein, „nein mache ich nicht“, oder?
Nasher:
Ja. Die Alternative oft. Gerade, wenn ich Vertriebler bin, ist ja die Frage, entweder ich verkaufe oder ich verkaufe halt nicht. Und das muss ich entscheiden. Wie entscheide ich das?
Naja, ich muss halt wissen, dass 5 Prozent Rabatt im Schnitt zu 33 Prozent weniger Profit führen und dann kann ich mir relativ leicht ausrechnen, ab wann sich die Transaktion überhaupt nicht lohnt. Ab wann ich mehr Ärger habe mit dem Kunden, als dass es mir was bringt.
Geropp:
Das heißt, ich gehe auch in eine solche Verhandlung rein, sagen wir mal, bei so einem Preisgespräch jetzt für einen Vertriebler, und ich sage, „okay, das ist der unterste Punkt. Unter den gehe ich auf keinen Fall.“
Nasher:
Genau. Aber diesen Punkt muss ich halt vorher gefunden haben. Und gerade für einen Vertriebler muss ich ausrechnen, wie viel Arbeit wird der Kunde wahrscheinlich machen. Dem muss ich dann praktisch so eine Art numerischen Wert geben. Das ist jetzt schwer zu erklären.
Kurz, ich mache in meinen Seminaren eine Übung, wie ich praktisch Äpfel und Birnen mit einander vergleiche, dass ich am Ende alles in Zahlen runterbreche. Und das kann ich eben auch als Vertriebler machen, dass ich sage, gut, das kostet mich so und so viel Zeit. Das ist mir so und so viel Ärger. Und ich kann dann so und so viel weniger neue Kunden akquirieren zum Beispiel, denn Zeit ist nun mal eine Ressource.
Dass ich sage, „okay, da drunter mache ich vielleicht noch einen Profit, aber es macht trotzdem keinen Sinn, weil ich dann weniger Zeit habe.“ Das heißt, so muss ich mir die Alternative des nicht Deal Abschließens ausrechnen, was das für mich, also dann habe ich eben auch einen letzten Preis. Und dies muss ich klar definiert haben, bevor ich in die Verhandlung gehe.
Geropp:
Wobei, das ist ja gar nicht einfach, weil häufig gibt es ja gerade die andere Seite. Wenn ich also mit Ihnen verhandeln würde, würden Sie ja sagen, „okay, wir schauen mal nach, was es noch für Optionen gibt und auf einmal“, ich muss eigentlich auch schon so weit gehen, dass ich sage, welche unterschiedlichen Konstellationen gibt es und wo in der Kombination mit den Konstellationen, was ist da mein tiefster Punkt?
Also wenn der sagt, „ja okay, Sie kriegen weniger Skonti oder ich lege noch das drauf beim Autohändler oder so, ich lege noch die Reifen drauf oder so.“ Das muss ich ja oft vorab, wenn ich Sie richtig verstehe, mir soweit es geht, durchdenken, ja?
Nasher:
Richtig. Es ist so. Ich weiß. Genau. Und das ist halt genau das, was man meint oder was ich meine, wenn ich sage, bereiten Sie sich vor. Das kostet halt Zeit. Ich meine, das ist halt das Kuriose, oft bin ich in Verhandlungen, soll also Teams vorbereiten auf eine Verhandlung und die sagen, morgen geht es los.
Und dann frage ich, was ist denn eure Alternative, wenn ihr es jetzt nicht von dem kauft. Und dann sagen die, das sehen wir dann, wenn es nicht klappt. Das ist halt genau das Problem und dann sagen die, ja, wir können doch nicht auf Heller und Pfennig ausrechnen, was der andere Hersteller kosten würde. Das kostet viel zu viel Zeit.
Dann sage ich, „naja, aber wenn es halt um solche Summen geht, auch wenn es nur um Hundert, also was heißt nur, aber wenn es um 100000 geht, dann kann ich doch mal einen Tag investieren oder zwei Stunden investieren.“
Oder als Privatperson sowieso, hat mir mal ein Verkäufer gesagt, das die Macht des frisch gesurften, ist immens beim Autokauf zum Beispiel. Da müssen Sie halt nur vorher mal bei mobile.de ganz genau sehen, was eine Alternative kosten würde, bevor Sie in die Verhandlung mit Ihrem Liebling sozusagen gehen.
Geropp:
Wie machen Sie das, jetzt nicht beim Autokauf, aber sagen wir mal, so eine größere Verhandlung, wo es beim Vertrieb oder Verkauf oder sonstige Sachen? Ich verstehe häufig, dass es sinnvoll ist, es auch wirklich schriftlich zu fixieren. Würden Sie das auch als Ziel setzen?
Nasher:
Also erstmal muss ich noch mal unterscheiden zwischen Alternative ist ja der worst Case. Das ist nur das, dass ich aufstehe und gehe. Das ist also keineswegs mein Ziel. Mein Ziel ist was ganz anderes in der Verhandlung. Mein Ziel in der Verhandlung ist alles, was ich noch irgendwie begründen kann. Das ist kurz vor der Unverschämtheit sozusagen.
Geropp:
Also so viel rausholen eigentlich, wie möglich. Und so fange ich an, wenn ich Sie richtig verstehe?
Nasher:
Genau. Mein Ziel ist sozusagen ein Mondpreis. Also ich wurde Letzens gefragt, ich weiß nicht ob es Handelsblatt oder so, die haben gesagt, Sie erreichen bestimmt immer Ihr Ziel? Die Antwort ist nein. Ich erreiche mein Ziel fast nie, weil es so hoch ist.
Aber wir wissen eben von allen Studien, also jedes anekdotische Wissen, das ich habe, bestätigt das, nämlich, wenn mein Ziel sehr hoch ist, dann schneide ich besser ab. Das heißt, allein deswegen, weil meistens trifft man sich ja in der goldenen Mitte irgendwann. Aber wenn mein Ziel, also mein erstes Angebot sozusagen extrem hoch ist, dann ist natürlich dieser Anker zu meinen Gunsten manipuliert.
Muss also hoch sein und wie Sie gesagt haben, mit dem Aufschreiben konkret sein. Wir wissen auch, dass wenn ich ein ganz konkretes Ziel habe, ich besser abschneide. Und wenn ich es am besten auch noch aufschreibe und teile.
Geropp:
Das heißt, wenn Sie so eine richtige Verhandlung haben, also mit mehreren sich vorbereiten, denke ich, da ist es noch mal doppelt wichtig, dass man wirklich sagt, hier das ist unser Verhandlungsziel oder das, was wir am meisten rausholen und das auch wirklich hinzuschreiben?
Nasher:
Genau. Also wie gesagt, noch mal kurz zur Vorbereitung, das A und O ist, ich beginne erstmal damit meine Alternative auszurechnen, also „Worst Case“. Und der nächste Schritt ist eben mein Ziel. Was will ich eigentlich? Also was kann ich irgendwie noch begründen?
Geropp:
Das heißt, Sie schreiben auf, das will ich haben, aber Sie beschreiben auch, zu mindestens in Stichworten, die Begründung, damit die auch untereinander klar sind?
Nasher:
Natürlich, ich brauche gute Gründe. Nicht übertreiben, gute Gründe brauche ich. Ich brauche eigentlich glücklicherweise nicht unbedingt gute Gründe, ich brauche einfach nur Gründe.
Geropp:
Okay.
Nasher:
Also das ist diplomatischer.
Geropp:
Wenn wir von so einer Verhandlung ausgehen, gibt es ja verschiedene Phasen. Die erste Phase ist sicherlich die Vorbereitung. Was gibt es sonst für typische Phasen? Wie ist so der Verlauf einer typischen Verhandlung?
Nasher:
Naja, man setzt sich hin und verhandelt.
Geropp:
Okay.
Nasher:
Ich finde es immer irgendwie kurios, wenn man so in Phasen, irgendwie abstrakt definiert. Ich meine, jeder weiß, wie es ist. Man bereitet sich halt vor und dann geht los.
Und dann gibt es halt eine Nachbereitung. Also will ich jetzt nicht, ich denke nicht, dass das wichtig ist. Aber wie gesagt, ich muss eben dem entsprechend vorbereitet sein.
Und dann, sobald ich in der Verhandlung bin, das gilt zu jeder Zeit in der Verhandlung, sammele ich natürlich so viel Informationen, wie möglich, lasse den anderen reden so viel, wie möglich. Ergründe vor allen Dingen die Interessen des anderen. Was will der wirklich? Also versteifen Sie sich nicht auf eine Position.
Das ist das ganz entscheidende beim Verhandeln, dass wir uns zu schnell auf eine Position versteifen und sagen, „ich will das, du willst das, ich will das.“ Und das ist ein grober Fehler. Wir sollten nämlich dahinter schauen. Warum willst du, was du willst?
Es gibt diese berühmte Geschichte von den zweien, die sich streiten in der Bibliothek. Der eine kippt das Fenster, der andere macht es immer wieder zu. Die reden nicht. Es ist halt eine Bibliothek. Irgendwann wird es der Bibliotheks-Chefin zu bunt. Kommt und fragt einfach, „Warum soll das Fenster auf?“ Da sagt er eine, „ja mir ist kalt.“ Da sagt der andere, „Ja warum sollst du“ und dann machen die einfach ein Fenster woanders auf. Da kommt auch frische Luft rein und keinem ist kalt.
Das heißt, es ging nicht darum, ob dieses Fenster auf und zu ist, und das klingt banal natürlich. Alle sagen, ist doch klar. Aber so ist es oft in der Verhandlung, dass ich oft reinkommen in die Verhandlung. Die Fronten sind verhärtet. Wir wollen das. Die wollen das. So. Stillstand.
Wenn ich aber frage, warum wollt ihr denn das? Ja, und dann sagen die erstmal, „geht dich nichts an. Will ich halt.“ Sobald man dann eben ein bisschen mehr redet, vielleicht auch selber mal was preisgibt, kommt dann vom anderen auch, was eigentlich sein wahres Interesse ist. Sagt der zum Beispiel, „Mir ist eben wichtig, wenn jemand mein Unternehmen kauft, dass auch der Name des Unternehmens weiter bestehen bleibt. Das ist mein Lebenswerk.“ Solche Sachen zum Beispiel.
Gerade Gründer, die für ihr Lebenswerk Mondpreise oft aufrufen. Und dann möchte der Investor es kaufen und einigen sie sich nicht um den Preis. Und dann geht es eigentlich gar nicht um den Preis, sondern es geht eben darum, dass das wertgeschätzt wird. Und das kann man eben auch, man muss dann gar nicht finanziell entgegenkommen unbedingt, sondern man kann das durch andere Sachen machen.
Man kann sagen, „gut dass deine Nachfahren sozusagen immer einen Ausbildungsplatz hier bekommen oder immer einen Job hier bekommen.“ Die wollen ja wahrscheinlich sowieso nicht da arbeiten, aber das ist dann dem anderen so wichtig und das muss man halt verstehen. Dahinter gehen.
Das heißt also, um kurz zusammenzufassen. Ich gehe weg von dem Positionsverhandeln zum interessensbasiertem Verhandeln. Und das ist das, was also Harvard-Konzept so berühmt ist. Focus on Interests, not Positions ist die Maxime. Und die Maxime ist hier eben auch, dass ich knallhart sein soll als Verhandler. Also es ist nicht etwa Kompromiss. Nein, nein.
Ich bin knallhart, was meine Interessen angeht, aber weich, was die Position angeht.
Das heißt, ich weiß, dass es für jedes Interesse von mir, etliche Positionsmöglichkeiten gibt und die muss ich ergründen, gegenseitig.
Geropp:
Aber wenn, irgendwie habe ich das noch nicht ganz raus. Wenn wir bei der Vorbereitung auf die Verhandlung drauf konzentrieren zum Beispiel, dass ist das, was wir maximal haben wollen. Dann ist das ja, dass wir mit einer Position reingehen.
Nasher:
Richtig. Ja.
Geropp:
Heißt das nicht auch, dass wir extrem uns erstmal überlegen müssen, was sind unsere Interessen?
Nasher:
Ja. Also ich muss mir erstmal überlegen, was sind meine Interessen und was möchte ich überall durchsetzen. Und der Fehler, den viele machen, ist, dass sie es nur auf den Preis beziehen, aber das heißt keineswegs, auch wenn ich noch so hoch einsteige, heißt ja nicht nur den Preis. Es gibt ja ganz viele andere Faktoren. Ja, von Lieferterminen über Exklusivität und was nicht alles.
Ich habe ein Work-Sheet, das ich für die Verhandlung vorbereite vorher, wo wir praktisch durch die Seiten gehen und aufschreiben, was sind eigentlich meine Interessen? Durch welche Positionen kann ich die erreichen? Und dann gucke ich natürlich, ich will meine Position maximieren. Ich will so viel, wie möglich rausschlagen, aber es gibt eben verschiedene Möglichkeiten das zu tun.
Und es gibt bestimmt eine Art, wie ich mein Interesse durchsetzen kann, ohne dem anderen zu schaden. Also die Grundfrage lautet, was nützt mir viel, was dich wenig kostet und umgekehrt? Mein Lieblingsbeispiel ist das mit dem Auto, wenn ich zum Gebrauchtwagenhändler gehe. Und der sagt, „ich will 30.000.“ Dann würde ich normal, ich denk mal, ich sage „25.000.“ Mache ich aber nicht. Ich sage dem, „ich gib dir 3.0000, aber dafür will ich halt Winterreifen, Inspektionen, Navi, Update, was weiß ich was.“
Und dann rechnet der und das kostet ihn vielleicht 23.000 Euro, aber mir ist halt 10.000 wert, dann habe ich ein Auto für 40.000 da stehen. Und das ist eben genau der Punkt. Dass ich mich nicht nur auf den einen Faktor, eben meistens Preis fokussiere und verrenne.
Geropp:
Wenn ich jetzt jemanden vor mir habe, also ich bin willig, mich auf die Interessen einzulassen, der andere aber nicht. Ich habe ja am Samstag einen schönen Vortrag von Ihnen gehört und da hatten Sie, ich glaube, war es Chruschtschow, der immer „nokay“ gesagt hat.
Nasher:
Molotow war es.
Geropp:
Molotow, genau. Richtig. Richtig. Genau. Vielleicht könnten Sie da mal drauf eingehen, weil das kann ja, wenn ich mit einem Einkäufer mal mir gegenüber habe oder mein Chef lässt sich auf nichts ein, wenn ich mit ihm spreche, wie verhalte ich mich da?
Nasher:
Ja, es kann immer sein, dass ich Ihnen sozusagen, wie man so schön sagt, ein Sowjet gegenüber sitzt, also jemand, der die ganze Zeit die Arme verschränkt und „Nijet“ sagt beziehungsweise nokay, wie Molotov, weil er dachte, dass wäre die Negativ-Version von okay.
Wenn Sie das Problem haben, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder Sie versuchen erstmal ins Plaudern zu kommen und Sie geben auch etwas von sich preis. Das hat was sehr entwaffnendes seine eigenen Interessen preiszugeben. Ich weiß, dass es nicht ohne Risiko ist.
Aber ich gebe Ihnen ein kleines Beispiel. Ich war in Sri Lanka letztens und da war ich auf einer Fachkonferenz. Wollte dann nach meinem Vortrag ins Hotel und dann hat so ein TucTuc-Fahrer hat gesagt, „Ja, ich fahre Sie, aber fahren wir doch am Juwelier vorbei.“ Habe ich gesagt, „Ich will nicht zu Juwelier. Ich will ins Hotel.“ Da meinte er, „nein, nein, fahren wir kurz zum Juwelier. Dauert nur zehn Minuten länger.“
Dann dachte ich mir, wer weiß, was der bekommt. Vielleicht ist es sein Laden. Vielleicht kriegt er die Hälfte. Was weiß ich. Und dann irgendwann sagt er, „Komm, wir fahren bitte, weil dann kriege ich zwei Liter Benzin.“ Und dann habe ich gesagt, „Ach so, na gut.“
Und das ist der Punkt, wenn der andere wirklich sein Interesse preisgibt, mir wirklich sagt, warum er eigentlich das durchsetzen will, was er will, dann ist es für mich sehr entwaffnend. Auch in der Verhandlung. Ich neige dazu, also ich fahre da eigentlich sehr offen in der Regel und sage, warum mir etwas wichtig ist.
Und so entdämonisiert man sich gegenseitig auch sehr schnell, weil der andere denkt, „Wer weiß, warum will er denn das? Was hat denn der vor damit? Nicht, dass er uns irgendwie verarschen will oder so.“ Aber wenn ich das wirklich klar sage, ich sage, „Pass auf, das ist mir deswegen und deswegen wichtig, und das andere ist ja nicht so wichtig.“
Es ist hervorragend in der Verhandlung, aber ich weiß, dass es viel riskant ist. Meiner Meinung nach, funktioniert es fast immer. Aber wenn null Vertrauen da ist, wenn man sich wirklich gegenüber sitzt, wie ein Schakal sozusagen, lauernd und ohne irgendwas zu sagen, dann halt nicht. Und dann muss man dieses sogenannte Harvard-Konzept überspringen und geht über zu den Taktiken. Und das mache ich eben auch. Ich habe das als meistens klappt es und wenn nicht, gehen wir halt in die Trickkiste. Und dann geht es nicht anders.
Geropp:
Dann kämen wir zu einem versierten Verhandler, der dann sagt, „Okay, jetzt fangen wir die Tricks an?“
Nasher:
Ich würde es gar nicht sagen, dass das versiert ist, also ich finde es oft nicht sehr versiert, wenn jemand eben, weil er meistens Angst hat. Also wer hat meistens Angst verarscht zu werden? Das sind eben gerade nicht versierte Leute, sondern das sind Leute, die eben Angst haben, also weil die einfach ängstlich sind, kein Selbstvertrauen haben.
Geropp:
Oder in einer Position sind, wo sie halt Angst haben müssen. Weil viele verhandeln ja auch für andere.
Nasher:
Genau. Sicher in der Position, die Angst haben, die sich nicht blamieren wollen. Also ich will das nicht generalisieren, aber das spricht nicht unbedingt jetzt für einen guten Verhandler, sich darauf nicht einzulassen.
Ich habe in meinen Seminaren auch teilweise Leute aus unterschiedlichen Unternehmen. Ich habe einen Unternehmer, der seinen Zulieferer mitgebracht hat, wo sich alle gewundert haben, aber es ist gar nicht, es ist eigentlich gar nicht so fern liegend, weil das eben sich nicht ausschließt und die nicht gegeneinander verhandeln.
Geropp:
Können Sie so ein paar Beispiele mal nennen, wenn es wirklich hart auf hart kommt, damit man so vorbereitet ist? Sie haben ja da auch ein schönes Beispiel gehabt. Ich glaube, mit chinesischen Unternehmen und ein Einkäufer oder Verkäufer, der nach China gegangen ist, war glaube ich, das Beispiel. Das fand ich sehr plakativ. Vielleicht können Sie das kurz erläutern?
Nasher:
Ich weiß nicht genau, was Sie meinen. Ich habe so viele chinesische Beispiele.
Geropp:
Da war beispielsweise, dass die den zwar eingeladen haben, aber in ein Hotel, was ziemlich weit weg war und dann haben sie ihn da hängen gelassen. Also diese Geschichte fand ich sehr.
Nasher:
The „Long Wait“ sozusagen?
Geropp:
The „Long Wait“. Ja.
Nasher:
Ja genau. Da geht es dann praktisch Richtung, also da gibt es eben sehr viel Tricks, wie ich die Wahrnehmung der Macht verschiebe zu meinen Gunsten. Ich weiß noch, einmal irgendwann hat der Einkäufer von Adidas, also der hat öffentlich da drüber geredet, deswegen kann ich es auch sagen, dass wenn Leute ihm was verkaufen wollen, also Adidas, dann sitzen die auf einem niedrigeren Stuhl, damit die sich also klein vorkommen. Also so eine Art induzierte Regression.
Das heißt, dass man in die Kindheit zurückversetzt wird und dann man auch das macht, was der andere einem sagt. Also ich halte das für zweifelhaft, weil das zu offensichtlich ist. Aber meinet wegen. Jedenfalls solche Sachen gibt es. Das ist für mich immer einer der ersten Schritte, die ich überlege in der Verhandlung, wie ich das machen kann. Und da ist eben eine Sache, kein Interesse zu zeigen.
Wie eben zum Beispiel die Chinesen lassen den da versauern in irgendeinem Provinz-Hotel und machen, als ob sie was Besseres zu tun haben. Das ist natürlich ein alter Trick. Erstmal lasse ich jemand zu mir kommen und lasse ihn dann auch noch warten. Da muss man aufpassen. Da muss man aufpassen, aber in richtigen Dosen kann das durchaus gut sein.
Es kann auch in Kleinigkeiten sich zeigen. Nämlich indem man zum Beispiel einfach E-Mails sehr langsam beantwortet. Indem man zum Beispiel Anrufe nicht sofort, also wo man nicht sofort zurückruft. Einfach indem ich sage, dass ich den Eindruck erwecke, dass ich eben nicht so besonders interessiert daran bin.
Aber wie gesagt, da braucht man Fingerspitzengefühl, dass es nicht unverschämt wird und einfach nur schlechter Service oder kein Engagement. Also das ist nicht so leicht. Aber was sehr gut funktioniert, ist zum Beispiel den anderen zu sich kommen zu lassen. Denn vor wem haben Sie mehr Respekt? Vor einem Bartender oder vor einer Kellnerin oder einem Kellner? Wahrscheinlich eher vor dem Barmann, weil da müssen Sie hin. Sie müssen um seine Aufmerksam buhlen, aber ein Kellner kommt halt zu Ihnen gelaufen, wie ein Lakai, um Order entgegen zu nehmen.
Allein das ist schon ein Trick, wenn ich also den dazu bringe zu mir zu kommen. Wenn ich ihn dann auch noch warten lasse, dann bin ich natürlich sozusagen in Wahrnehmung der big Boss. Also das sind im Prinzip irrationale, es ist eigentlich Quatsch. Keiner würde sagen, ja, also dann würde ich den anderen als mächtig sehen, aber es ist halt so. Das sind halt unterbewusst so Dinge, die sich da abspielen.
Geropp:
Es ist also immer dieses Machtspiel. Wie werde ich wahrgenommen? Meine Macht mit dem anderen.
Nasher:
Richtig. Richtig.
Geropp:
Was würden Sie denn sagen, sind so die größten Fehler, die man gerade in Geschäftsverhandlungen, die Sie häufig sehen und die man ja eigentlich einfach und eigentlich unbedingt vermeiden sollte?
Nasher:
Also erstmal ist vor allem, dass die Leute keine Alternative haben, würde ich sagen, das ist der Fehler Nummer 1.
Der Fehler Nummer 2 ist, dass ich unbedingt verkrampft versuche meine Position durchzubringen und nicht schaue, sagen wir mal, gibt es vielleicht andere Möglichkeiten das durchzusetzen? Gibt es vielleicht Möglichkeiten, vor allen Dingen auch, wie ich seine Interessen befriedigen kann? Die muss ich eben dafür kennen.
Also dass ich frage einfach. Wer fragt schon, „Sag mal, was ist dir eigentlich wirklich wichtig? Worum geht es dir eigentlich? Was hast du eigentlich vor mit dem Geld, was du bekommst dafür? Wie willst du es investieren?“ Und vielleicht gibt es da auch eine Möglichkeit.
Zum Beispiel kann es sein, dass in einem Fall man den Verkäufer einer großen Immobilie fragt, „was hast du vor mit dem Geld danach?“ Sagt der, „Das geht dich nichts an.“ Und fragst du noch mal, sagt der, „Ja ich weiß es nicht, weil die Zinsen so schlecht sind, ich weiß nicht, wie ich es anders investieren soll.“
Dass es dann dazu kam, dass der praktisch mit diesem Geld die Immobilie selber den Kauf finanziert hat von seinem eigenen Haus. Was natürlich erhebliche Gutachterkosten gespart hat, was für beide gut war, weil die hatten wenig Eigenkapital. Die Bank hätte da nicht mitgemacht und er hat viel bessere Zinsen bekommen, als von der Bank er bekommen hätte, wenn er seinen Kredit dort bekommen hätte. Und er kennt ja das Objekt. Also insofern gibt es solche kuriosen Möglichkeiten. Das heißt also, sei flexibel wie Wasser sozusagen. Schon eigentlich hart. Kann man auch sein, aber wie Wasser fließend sozusagen. Schauen, wie ich diese Positionen ändern kann, um das Interesse zu befriedigen.
Geropp:
Ja, das leuchtet mir ein. Jetzt hatten Sie ja auch ein Buch geschrieben, wo es darum geht, um rauszukriegen, ob jemand lügt.
Nasher:
Ja. Mein Hobby. Ja sozusagen ein Hobby geworden. Ja tatsächlich. Also es hat sich so ein bisschen raus entwickelt aus dem Verhandeln eben, weil ich eben gesagt habe, ich muss ja auch wissen, ob der andere die Wahrheit sagt, gerade wenn er über seine Alternative redet.
Das kenne wir alle, dass der andere sagt, „ja, wenn Sie es nicht kaufen, ich habe da hier 20 andere.“ Stimmt das? Oder stimmt das nicht? Ist natürlich eine wichtige Frage. Woran sehe ich das? Und deswegen habe ich mich damit beschäftigt, ehrlich gesagt, weil ich selbst so eine miserable Menschenkenntnis habe. Also ich konnte es einfach nicht.
Also andere Leute haben irgendwie Bauchgefühl oder so. Ich nicht. Ich habe da gar nichts. Habe ich mich eben einfach wissenschaftlich, also habe mal geguckt, was gibt es da für Studien und habe gesehen, naja 30, 40 Jahre ziemlich viel Forschung, die völlig unbekannt ist außerhalb der Universitäten. Und habe jetzt einfach das zusammengetragen und dann kam es eben zu den Büchern dazu. Durchschaut. Entlarvt.
Geropp:
Okay.
Nasher:
Und das ist natürlich Gold wert. In einer Verhandlung zu sehen, wann jemand die Wahrheit sagt und wann nicht.
Geropp:
Vielleicht können Sie da so zwei, drei Sachen, worauf es eigentlich ankommt, wenn man erkennen möchte, ob jemand pokert oder nicht?
Nasher:
Ja. Also es gibt die zwei Emotionen, die typisch sind beim Lügen. Und zwar Angst und Schuld. Und wenn ich das sehe, ohne dass es einen Grund dafür gibt, dann habe ich einen verdammt guten Anhaltspunkt für eine Lüge. Wenn es nicht gerade einen anderen Grund für Angst oder Schuld gibt. Aber in der Regel in der Verhandlung gibt es keine. Also das steht man nicht am Abhang. Da droht jetzt nicht irgendwie Baseball-Schläger jeden Moment in die Fresse zu knallen. Also warum soll jemand Angst haben?
Oder Schuld fühlen, wenn jemand über andere Angebote, die er hat, redet. Oder wenn ich ihn frage, ja die beiden letzten Arbeitgeber zum Beispiel, wenn ich da Angst und Schuld im Gesicht sehe, dann weiß ich, dass da irgendwas faul ist. Und woran sehe ich es? Angst und Schuld. Gut, ich kann es Ihnen jetzt erklären, aber das Gute ist, ich muss es Ihnen gar nicht erklären, Sie sind instinktiv sehr gut darin, das zu wissen.
Geropp:
Okay.
Nasher:
Also Menschen sind fast 100 Prozent akkurat darin zu sehen, ob jemand Angst fühlt oder nicht. Wir sehen seine höhere Stimmlage, am Stottern, an Wiederholungen. Aufgerissen, wenn auch nur kurz, Augen, Mundwinkel gehen nach hinten. Überlegen Sie einfach, was Ihnen Angst macht und Sie werden das in Ihrem Gesicht spüren. Schuld genauso. Ist wie Trauer. Mundwinkel gehen runter. Blick ins Leere. Und dieser Stempel der Schuld ist wahnsinnig leicht zu sehen.
Noch leichter, finde ich, als Angst, obwohl die Zahlen was anderes sagen. Also Menschen sind eigentlich besser darin auch Angst zu sehen. Ja, wenn Sie das sehen im Gespräch vor allem, dann müssen Sie es machen wie Polizisten bei Zickzack-Verhören so genannt. Das heißt, ich springe immer von Thema zu Thema und gehe immer wieder zurück auf das Thema, bei dem ich denke, er könnte lügen. Und wenn immer wieder da diese Verhaltensänderung stattfindet, dann kann ich fast davon ausgehen irgendwann, dass er lügt.
Geropp:
Ja. Okay. Ja, ich glaube, man erkennt das, wenn man Kinder hat, gerade da bekommt man da ja auch so ein kleines Gespür für, ob die einen ein bisschen anflunkern.
Nasher:
Ja.
Geropp:
Herr Nasher. Ich bedanke mich herzlich für das Interview. Hat mir viel Spaß gemacht.
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