FPG129 – Kündigungsgespräch führen: Worauf Sie achten sollten besonders bei betriebsbedingten Kündigungen!
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Kündigungen auszusprechen ist schwierig und emotionsgeladen. Ich sprach darüber schon mal in Podcast-Folge 118 über Kündigungsgespräche.
Da ich aber hinsichtlich Trennungskultur kein Experte bin, habe ich mich kürzlich mit Dr Andrzejewski in Frankfurt getroffen und ein ausführliches Gespräch darüber geführt.
Daraus sind zwei Podcastepisoden geworden. Letzte Woche konnten Sie in Podcastfolge 128 den ersten Teil hören. Heute gibt es den zweiten Teil zum Thema Kündigungsgespräch führen.
Laurenz Andrezejewski
Dr. Laurenz Andrzejewski gilt vielen als der „deutsche Trennungspapst!“ Ich bin auf ihn aufmerksam geworden durch sein empfehlenswertes Buch:
Er hat es mit seinem Kollegen Dr. Hermann Refisch geschrieben hat. Ich kann es sehr empfehlen, wenn Sie sich mit dem Thema Kündigungen, Entlassungen und Trennungsmanagement beschäftigen.
Im zweiten Teil des Interviews gehen wir den Fragen nach:
- Was mache ich denn, wenn ich als Führungskraft vom Top Management vorgegeben bekomme, z.B.: 10 von meinen 50 Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen?
- Wie gehe ich als Führungskraft in der Sandwichposition dann mit meinen eigenen Emotionen um?
- Kann ich solche Kündigungen überhaupt fair gestalten?
Hier also der zweite Teil meines Interviews mit Dr. Laurenz Andrzejewski:
Das transkribierte Interview mit Laurenz Andrzejewski Teil II
Geropp:
Herr Andrzejewski, die Situation bei betriebsbedingten Kündigungen ist heftig: Wenn so eine richtige Entlassungswelle über ein Unternehmen rüber rollt und ich bin als Führungskraft im mittleren Management und soll jetzt meinen Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen.
Ganz ehrlich: Ich stelle mir das unheimlich belastend vor, insbesondere wenn man dann nicht selbst von den Maßnahmen wirklich überzeugt ist. Ich muss sie aber umsetzen.
Was raten Sie solchen Führungskräften? Wie sollen die da mit auch den eigenen Gefühlen wie Schuld, Wut oder Zweifeln umgehen? Ich kann die ja nicht nach außen tragen, das darf ich ja eigentlich nicht, oder?
Andrzejewski:
Ja idealerweise eben bitte nicht. Weil das dann genau zu dieser Dissoziation führt, also auch zu Irritation bei den betroffenen Mitarbeitern UND den Bleibenden im Team. O-Ton ist dann wieder
„Die wissen ja nicht, was sie tun. Die meinen das gar nicht so ernst.“
Oder
„Mein Chef steht auch nicht davor und dahinter.“
Was kann der jeweilige mittlere oder kleine Chef dann tun? Also jemand aus der mittleren Hierarchie – der kann nur sich selber rüsten und stärken in der schon erwähnten Sicherheit der Entscheidung.
Und dann muss ich schon den Blick darauf werfen, was als Package angeboten wird, also das Paket, was man dann dem Mitarbeiter anbietet – das ist Geld, das ist Zeit, das ist auch vielleicht New-Placement-Beratung. Damit muss man dann versuchen, die Brücke zu schlagen.
Weil in der Regel haben die Leute sich ja nicht wirklich etwas zu Schulden kommen lassen bei betriebsbedingten Kündigungen. Es liegt dann gar nicht am Einzelnen. Ihn hat es getroffen, weil er durch Sozialpunkte ausgewählt wurde.
Deshalb muss die Führungskraft sich diesbezüglich in der Argumentation gut rüsten. UND sich auch bewusst machen – dem ist leider so, und da kann ich jetzt keine Führungskraft aus der Verantwortung lassen und auch keine personalverantwortlichen Experten aus der Verantwortung lassen – sagen
„Diesen Teil des Jobs, diesen scheiß Teil des Jobs, habe ich mit gekauft. Das wurde mir zwar als ich Chef, als ich Werkstattleiter oder Niederlassungsleiter wurde, nicht gesagt. Aber jetzt geht es darum diese unangenehme Aufgabe zu übernehmen in dem Sinne „Bin ich meinen Leuten schuldig.“
Das ist natürlich eine wirklich schwierige Prüfung für die Persönlichkeit der jeweiligen Vorgesetzten.
Im Buch gibt es eine wirkliche Geschichte, die Gänsehaut verursacht hat, als diese von einem betroffenen Chef auf einem Kongress live vorgetragen wurde. Es war mucksmäuschenstill im Saal. Der musste 150 von 150 – also 100 Prozent – seiner Leute entlassen binnen sechs Wochen. Er hat gesagt
„Mein Fluchtreflex, der war so groß, ich wollte direkt kündigen.“ Ich kriege jetzt noch selber eine Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Er sagte
„Ich habe das ganze Wochenende mit mir gerungen: Soll ICH kündigen? Soll ich die Brocken hinwerfen? Und dann bin ich zu der Entscheidung gekommen: Ich mache das, ich gehe in die Verantwortung. Ich bin das meinen Leuten das schuldig.
Ich bereite mich jetzt mit Personalabteilung bestens vor und führe selber die Gespräche und versuche es den Menschen zu erklären.“
Ihm war klar, dass er Akzeptanz und Applaus dafür nicht bekommen wird. Aber man hat ihm das nachher gedankt. Also die BETROFFENEN. Zunächst ist das natürlich wirklich auch ein Schock und die Betroffenen geraten auch in Panik – aber nach einem gewissen zeitlichen Abstand kam dann auch in diesem Fall die Rückmeldung:
„War eine ganz schrecklich, schlimme Situation – aber du hast es wenigstens ANSTÄNDIG gemacht. Du hast es offen gemacht. Du hast OFFEN mit uns gesprochen. Du warst auch im Nachgang da für uns.“
Und das ist das, was so ich allen Führungskräften, allen Personalverantwortlichen mitgeben will.
Geropp:
Das heißt, ich habe eigentlich eine Verantwortung auch aufgenommen, selbst wenn ich nicht dahinter stehe. Ich meine als erstes muss ich die Sache durchziehen, und danach kann ich kündigen.
Andrzejewski:
Genau.
Geropp:
Weil wenn ICH es nicht mache, wird es schlimmer, als wenn es jemand anders macht.
Andrzejewski:
Ich all ihre Zuhörer motivieren und alle, die damit zu tun haben, motivieren, in dem Bemühen diese schwierige Aufgabe gut zu machen.
Mir geht es ja selber auch nach vielen Jahren noch so: Man hat dieses schwarze Loch der Trennung im Kopf oder vor Augen.
Glücklicherweise gibt es aber Methoden und Techniken, damit umzugehen – und die sind auch gar nicht so schwer zu verstehen. Sie sind auch gar nicht schwierig zu erlernen. Sie sind sogar sofort zu erlernen – sie ermöglichen, solch eine schwierige Aufgabe GUT zu machen.
Das ist so wichtig den Menschen gegenüber, die gehen müssen – aber auch im Hinblick auf diejenigen, die nachher bleiben. Wir müssen uns das noch einmal vor Augen halten: Selbst wenn 20 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens gehen müssen, sind 80 Prozent diejenigen, mit denen wir die Zukunft gestalten müssen.
Geropp:
Quasi die Überlebenden, nicht?
Andrzejewski:
Die Überlebenden. Und die beobachten das. Weil man ja über Wochen und Monate nicht weiß: Wer gehört am Ende jetzt dazu? Wer darf bleiben, wer muss gehen? Die beobachten natürlich ganz genau: Wie geht man jetzt hier in diesem Laden, in diesem Unternehmen, mit den Menschen um?
Deswegen also mein Appell und meine Ermutigung:
„Doch, Sie können diese schwierige Aufgabe gut machen, sodass auch die Betroffenen nachher wieder gut einen neuen Job und den Anschluss finden und manchmal glücklicher sind als im alten Unternehmen.“
Die 5 Basisfragen
Geropp:
Was sind das für Methoden und Techniken, um eine Trennung im Trennungsgespräch gut zu machen?
Andrzejewski:
Es ist die Machart. Es gibt fünf Basisfragen, die kann man in anderthalb Stunden vorbereiten. Das Projektteam – also Geschäftsleitung, Personal, Führungskraft – diskutieren diese folgenden Fragen:
- Wer führt eigentlich die entscheidenden Gespräch mit den Betroffenen?
- Wann führen wir die Gespräche?
- Wo führen wir die?
Es sollte ein Raum sein, der nicht einsehbar ist, und der die Ruhe und Diskretion gewährleistet. - Wie lange darf so ein Gespräch dauern?
Dauert es sieben Minuten oder dauert es anderthalb Stunden? - Was sind eigentlich die Inhalte?
Sind wir auch gut vorbereitet auf die Fragen des Mitarbeiters?
Also: Wer, wann, wo, wie lange, mit welchem Inhalt werden diese Gespräche geführt?
Das sind die fünf Basisfragen, die es vorzubereiten gilt. Die sind im Grunde Logistik und Organisation. Haben wir überhaupt einen Raum? Bitte keinen Raum, wo alle anderen an den Fenstern vorbei laufen zur Kantine. Ist alles vorgekommen.
Geropp:
Oh Gott, oh Gott.
Andrzejewski:
In einem Fall hatte man einen sehr ungünstigen Besprechungsraum gewählt. Alle paar Minuten schaute da jemand rein
„Ich hole nur den Beamer.“
oder
„Ach Entschuldigung, ich bringe nur Flipchart-Papier.“
Das darf natürlich nicht passieren, wenn der Betroffene gerade die Trennungsbotschaft erhalten hat. Sie merken, ich berichte live aus der Praxis zu diesen so banal erscheinenden Basisfragen – die sind aber basal.
Wenn man sich zum Beispiel entscheidet, solch ein Gespräch im Büro des Vorgesetzten – was durchaus sehr angebracht erscheint – zu führen, dann muss der zum Beispiel sein Blackberry, sein iPhone abschalten. Mir haben Betroffene berichtet
„Habe ich gerade die Botschaft empfangen, da klingelt sein Handy, wie man so sagt, ja? Da hat der nur gesagt ‚Es geht jetzt nicht, ich rufe zurück.“
aber das war total verletzend, dass etwas anderes wichtiger war. So etwas geht gar nicht.
Und dann kommen noch einmal eine fünf. Nämlich die ersten fünf Sätze.
Die ersten 5 Sätze im Trennungsgespräch
Geropp:
Das eine war jetzt die Vorbereitung darauf, die fünf. Und jetzt noch einmal weitere fünf/
Andrzejewski:
Die ersten 5 sind die Vorbereitung für Logistik, Organisation und Ablauf und jetzt gehen wir gedanklich IN das Gespräch hinein.
Nach meiner Überzeugung und Erfahrung aus all den Projekten über die vielen Jahre gehören diese fünf Sätze in den Mund des jeweiligen Vorgesetzten. Also NICHT in den Mund der Personalabteilung, da können wir gleich noch etwas dazu sagen.
Und auch wenn das noch so unangenehm ist. Und zwar die ersten fünf Sätze – nicht fünf Minuten, das ist viel zu lang. Die Botschaft, die Trennungsbotschaft, muss in die ersten fünf Sätze hinein.
Also: Du bist betroffen. Und da gehört zum Beispiel auch unbedingt, nachdem die Trennungsbotschaft ausgesprochen ist, eine Pause. Wirklich eine akustische Pause, eine Sendepause.
Betroffene haben immer wieder berichtet
„Der Chef hat eine dreiviertel Stunde über alles Mögliche geredet, ich habe überhaupt nicht verstanden, was er wollte.“
Manch einer hat übrigens sogar verstanden
„Ah, der hat etwas Großes mit mir vor! Chef hat nämlich gesagt ‚Wir müssen über Ihre Perspektive reden, wir müssen über Ihre Zukunft reden.“
Mogelpackungen. Der Mitarbeiter dachte, er wird befördert oder versetzt, aber im Grunde war das die Trennungsbotschaft. Und beim Rausgehen an der Tür sagt der Chef
„Ach übrigens, also ab 1.9. bist du nicht mehr unser Mann.“
So etwas geht natürlich gar nicht.
Geropp:
Das ist ja heftig.
Andrzejewski:
DasVorbereitetsein und die Trennungsbotschaft ist das Wichtigste. Sie werden keinen Applaus bekommen – aber diese schlüssige Trennungsbotschaft und Begründung, die im Zweifelsfall auch durch die Instanzen hält, das ist entscheidend.
Wenn zum Beispiel der Mitarbeiter danach einen Juristen einschaltet und Kündigungsschutzklage einreicht, ja dann muss das stimmig und sauber sein.
Geropp:
Wenn ich Sie richtig verstehe: Entscheidend ist auf der einen Seite diese Wertschätzung, aber wertschätzend heißt auch in dem Moment: Die Entscheidung ist gefällt.
Andrzejewski:
Ja.
Geropp:
Also muss ich es klar und eindeutig, präzise machen, und nicht um den heißen Brei herumreden.
Andrzejewski:
Die Klarheit ist es, was auch einen Teil der Wertschätzung ausmacht.
Weil sonst – wenn die Klarheit fehlt in der Sprache, in der Formulierung und in der Aussage – wenn die fehlt, dann fühlen sich die Menschen veräppelt und verarscht.
„Du hast auch sonst immer offen und direkt mit mir geredet.“
Oft sind die ja per du, die Kolleginnen und Kollegen. Man hat ja viele Jahre zusammen gearbeitet.
Es geht NUR durch die gute Vorbereitung, durch die Reflektion und auch dadurch, dass man die Formulierungen übt.
Folgendes darf nicht passieren: Der Mitarbeiter fragt
„Warum ich? Jetzt sag mir doch, Chef. Sag mir doch. Ja also verstehe ich immer noch nicht, musst du mir noch einmal erklären. Was waren die Gründe, bitte?“
Und dann rutscht es dem bedrängten Chef raus
„Naja ich hätte es dir eigentlich schon seit drei Jahren sagen müssen: Du bist halt eine Pflaume.“
Und das geht natürlich unter die Gürtellinie. Das darf nicht passieren. Ich kriege wieder Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Oder
„Du bist halt eine Lusche.“
Diese Dinge dürfen unter keinen Umständen passieren. Und das funktioniert überwiegend gut nur dann, wenn ich vorher – jetzt werde ich schulmeisterlich – aufschreibe. Bitte aufschreiben.
Wir machen das in den Workshops immer schriftlich: Diese ersten fünf Sätze schriftlich. Die werden dann auch vorgetragen. Dann merkt man beim Vortragen den Knoten in der Zunge. Dann sagt man
„Was ich eigentlich sagen wollte.“
Okay, dann muss man es halt noch einmal neu formulieren. Ja? Und dann funktioniert es allerdings auch gut. Das ist die Klarheit.
Auch bei der Formulierung darauf achten: keine verletzenden Formulierungen. Sachen sie:
„Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste!“
oder so etwas sind abschätzige Formulierungen. Wir geraten unter Umständen auch in juristische Probleme. Die Vorgesetzten – wenn sie nicht gut vorbereitet sind in der Formulierung – kommen mit dem AGG in Konflikt.
Ich sage immer noch Anti-Diskriminierungsgesetz, gemeinst ist das Gleichbehandlungsgesetz. Man darf nicht auf Alter, Religionszugehörigkeit oder selbst nicht auf Gesundheit ansprechen. Oder auch auf das Geschlecht. Weil da sind die Mitarbeiter sofort beim Juristen und es eskaliert.
Wenn wir über Fairness, über Anstand und Wertschätzung und über Respekt reden – sind wir nicht nur Gutmenschen, sondern es geht auch darum, Eskalationen zu vermeiden. Denn die kosten wieder viel Geld und Zeit, die man sich nicht leisten kann.
Und es geht auch darum die Kolleginnen und Kollegen im Team, die Bleibenden, nicht zu irritieren. Es hat also multifaktorielle Gründe, warum ich so da hinterher bin, hinter Fairness und Anstand in diesem Verfahren.
Geropp:
Sie haben es vorhin bereits gesagt, das finde ich noch einen sehr wichtigen Punkt: Die Führungskraft, die mit dem Mitarbeiter gearbeitet hat, die entlässt den Mitarbeiter auch.
Andrzejewski:
Ja.
Geropp:
Die macht das Kündigungsgespräch.
Andrzejewski:
Ja.
Geropp:
Und trotzdem ist die Personalabteilung mit involviert.
Andrzejewski:
Ja.
Die Aufgaben der Personalabteilung
Geropp:
Ist vielleicht sogar bei dem Kündigungsgespräch sehr sinnvoll. Wie sehen Sie denn die Aufgaben der Personalabteilung bei einer solchen Kündigung? Und was ist nicht deren Aufgaben?
Andrzejewski:
Zunächst wieder dazu aus der Praxis, für die Praxis. Ich erzähle Ihnen das Folgende, um sie vor diesen Fettnäpfchen zu warnen.
Immer wieder kommt es vor, dass der Chef – weil es unangenehm ist – zur Personalabteilung – wenn es die gibt – hingeht und sagt
„Hier habe ich den Mitarbeiter, den stelle ich dir zur Verfügung.“
– das ist O-Ton –
„Stelle ich dir zur Verfügung, klebe einen grünen Punkt drauf und entsorge mir den.“
Wenn jetzt die Personalbetreuung das zulässt, und zwar aus falsch verstandener Unterstützung für den Vorgesetzten, dann demontieren sie damit SOFORT die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in diesen jeweiligen Vorgesetzten.
Das heißt also, den Personalexperten, die zuhören, rufe ich zu
„Vorsicht vor dem Helfersyndrom! Vor Ihrem Helfersyndrom.“
Im Personalbereich sind – also in anderen Bereichen in der Linie auch – aber im Personalbereich sind immer wieder und überwiegend Menschen, die diese Personalarbeit gewählt haben, weil sie Menschen zugewandt sind, weil sie das Herz am rechten Fleck haben. Und diese Menschen neigen dazu, zu schnell zu unterstützen.
Also braucht der Vorgesetzte nur zu sagen
„Ah, ich tu mich da schwer. Und wie soll ich denn das beginnen, das Gespräch? Und was, wenn der auf den Tisch haut? Und was, wenn es Tränen gibt?“
Und dann wissen auch die Personaldamen und -herren immer wieder
„Naja, der und der Chef, der hat dann schon das Gespräch versaut – da mache ich es lieber gleich selber.“
Hüten Sie sich davor.
Der Schulterschluss zwischen jeweiligen Vorgesetzten und Personalbetreuung ist wichtig, nämlich bei der Argumentation, zum Ablauf, zu den Konditionen auch, zu den Spielräumen vielleicht auch zu den juristischen Konsequenzen.
Nicht jeder Vorgesetzte muss die ganze Juristerei kennen, geht gar nicht. Oder wenn es um Pensionskasse und Abfindung geht – das kann dann auch im Gespräch die jeweilige Personalbetreuung besprechen.
Ich plädiere unbedingt fürs Tandem, also für, dass zwei Menschen mit dem betreffenden Mitarbeiter ins Gespräch gehen. Über viele Jahre habe ich das Vier-Augengespräch vertreten: Lass den Vorgesetzten mit dem Betreffenden sprechen. Aber aufgrund des vorhin schon erwähnten AGG: Vorsicht, Vorsicht. Es ist besser, wenn noch ein Beisitzer dabei ist, der bezeugen kann, dass da nichts Unlauteres geschehen ist.
Und auch, weil oft die Botschaft nicht ankommt. Habe ich eben auch schon angesprochen. Der Chef bringt die Botschaft nicht rüber. Wenn jemand vom Personalbereich dabei ist, KANN die Dame oder der Herr noch einmal mit anderen Worten erläutern, DASS es wirklich um die Trennung geht.
Also Vorbereitung JA, durch Personalkollegin, -kollegen. Begleitung der jeweiligen Führungskraft AUCH. Und vor allen Dingen auch natürlich die Reflektion: Wie ist denn das Gespräch gelaufen? Da möchte ich wiederum ermutigen die Personalkolleginnen und -kollegen, die, die zuhören: Unbedingt im Sinne von Kaizen, im Sinne von Selbstreflektion auch dem jeweiligen Vorgesetzten klar rück zu melden, was gut gelaufen ist, und was wir demnächst anders machen MÜSSEN.
Natürlich hat der Personalbereich die Projektleitung in der vorhin schon zitierten Organisation des Projektes, also Logistik und Ablauf festlegen und Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen. Bis hin zu der Frage: Wer sagt was? Da hat dann der Personalbereich eine große Verantwortung und da ermutige ich die auch, sich da wirklich einzubringen.
Eine Personalkollegin hat ihrem Geschäftsführer gesagt
„Geschäftsführer, wenn du nicht mit in den Workshop gehst, also in dem wir die Dinge reflektieren und die Dinge üben und lernen, dann kann ich dich, wenn es sein muss, kann ich dich vor Gericht nicht vertreten, weil wir sprechen gar nicht die gleiche Sprache.“
Also so in dem Sinne: Nur Mut. Aber der Vorgesetzte muss das Gespräch führen.
Braucht es einen Trennungs-Coach?
Geropp:
Ja, das verstehe ich. Herr Andrzejewski, Sie beschreiben diese Vorgehensweise in Ihrem Buch sehr ausführlich mit vielen Beispielen. Mir hat das unheimlich gut gefallen. Ich habe da viel gefunden, womit man sich wirklich gut vorbereiten kann auf ein solches Gespräch.
Aber ich habe auch verstanden: Gerade bei größeren, betriebsbedingten Kündigungen braucht die normale Führungskraft einen Partner, einen Coach oder jemand, der in dieser Richtung agiert. REICHT das da manchmal wirklich, dass die HR-Abteilung das macht? Oder braucht man so einen Workshop, mit Leuten, die sich darauf spezialisiert haben?
Andrzejewski:
Meine Erfahrung ist: Es gibt sehr, sehr gut ausgebildete Personaldamen und -herren in den Unternehmen, die allerdings immer wieder – so erlebt – nicht wirklich Gehör finden. Deren Rat wird dann nicht wirklich befolgt. Das ist irgendwie systemimmanent.
Das allein ist dann ein Grund, auch vielleicht lieber für überschaubares Honorar einen Externen zu holen. Einen Experten, der wirklich sich also mit Trennung und der ganzen Dynamik auskennt. Selbst nur für eben ein oder zwei Tage oder auch für ein Spezial Coaching.
Natürlich gut, manchmal begleite ich auch den gesamten Prozess über Wochen oder Monate. Oder es gibt ein ganz diskretes VIP-Coaching für einen Geschäftsführer, für einen Vorstand. Aber dann im überschaubaren Rahmen. Wichti dabei ist: Es muss jemand sein, der nicht zum SYSTEM gehört. Also das Systemunternehmen, in dem dann Veränderungen stattfinden und Abbau stattfinden. Denn das köchelt auch in sich so, also sozusagen in der eigenen Brühe.
Geropp:
Ich meine das sind auch immer Abhängigkeiten und alles, nicht?
Andrzejewski:
Abhängigkeiten. POLITISCHE manchmal auch Verstrickungen intern. Und manchmal auch – ich sage es durchaus kritisch – Ober sticht Unter.
„Und jetzt sehen Sie einmal zu, dass das läuft.“
Vor allen Dingen also immer wieder – leider, leider – sind so Personalbereiche auch – ich sage es voller Respekt – aber in Anführungszeichen nur Handlanger, nur Assistenten. Ich sehe die in einer ganz wichtigen, hohen Rolle auch, ganz hoch aufgehängt.
Geropp:
Ich glaube, Jack Welch, langjähriger CEO von GE, hat das doch einmal gesagt, dass eigentlich der zweite Mann im Unternehmen, nach dem CEO, der HR-Mann sein sollte – aber es ist immer der Finanzer.
Andrzejewski:
Plädiere ich auch dafür, weil alleine wenn wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Man redet von den HUMAN Ressources. Das sind Menschen. Das sind die menschlichen Ressourcen. Das sind die Menschen.
Und selbst bei aller Technologisierung heute und indem die Maschinen ganz viel Arbeit übernehmen, aber an den entscheidenden Stellen sitzen doch Menschen und werden auch zukünftig Menschen sein. Also geht es um den Umgang mit Menschen.
Und von daher sind die Kolleginnen und Kollegen im HR, Human Ressources Management, zu würdigen und ja, müssten die Zweiten sein. Sehe ich auch so.
Inzwischen – und das hat JAHRE gedauert – inzwischen outen sich Unternehmensvertreterinnen und -vertreter, Vorstände, Führungskräfte, Betroffene auch, Personalkollegen, Betriebsräte auch und Betroffene. Es gibt hierzu 44 Statements und Best-Practice-Beispiele im Buch. Da sind Namen und Ross und Reiter genannt Die sprechen über ihre eigenen Erfahrungen und geben auch Empfehlungen. Das ist eine Entwicklung, für die ich sehr dankbar bin, und die ich sehr zu schätzen weiß.
Wird mehr wertschätzend gekündigt in den Unternehmen?
Geropp:
Das wäre so abschließend auch meine Frage. Wenn man ihr Buch liest, dann kommt überall durch: Sie legen viel Wert darauf, den Führungskräften im Unternehmen klar zu machen, wie wichtig es ist, wenn man sich von Mitarbeitern trennt, das mit Anstand, Respekt und Menschlichkeit zu machen.
Und zwar vor allem nicht nur aus moralischen Gründen, sondern wirklich auch aus den wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Da haben wir schöne Beispiele gehört. Wenn ich Sie richtig verstehe, beobachten Sie durchaus momentan eine positive Veränderung in der Wirtschaft – also in den kleinen wie auch in den großen Unternehmen, hin zu einer mehr fairen Trennungskultur. Ist das wirklich so?
Andrzejewski:
Ja und nein. Also mir begegnet auch heute noch sehr viel Arroganz und Ignoranz.
„Also das muss man doch können!“
oder
„Dafür werden Sie doch bezahlt!“
„Also lieber Chef, jetzt mach das mal.“
ABER insofern eine positive Entwicklung, dass – aus Leidensdruck heraus – mehr und mehr Unternehmensvertreter/ Unternehmerinnen und Unternehmer das erkennen und sagen
„Nein, so wie das beim ersten Mal damals 2002 und beim zweiten Mal 2004 gelaufen ist mit dieser Anzahl von Kündigungsschutzklagen oder mit diesem Trouble, den wir da hatten – das müssen wir dieses Mal anders machen.“
Und die sich dann damit befassen. Es ist ganz unterschiedlich, wer aus dem Unternehmen den Anstoß gibt, sich mit dem professionellen Trennungsmanagement und der Methodik zu befassen. Und da gibt es positive Entwicklungen.
Ich kann Ihnen das auch konkret in Zahlen benennen: Ein Unternehmen beispielsweise hat die Anwendung der Methodik zwischen 2009 und 2015 dokumentiert. Ein Unternehmen von etwa knapp 5.000 Mitarbeitern. Bei diesen 5.000 Mitarbeitern ging es um Performance-Management, also Entwicklung, Förderung, immer natürlich unter dem Leistungsgedanken.
Die haben ganz still und leise, also mit Anstand – keine Eskalationen, keine Gerichtsprozesse, keine Presse – jährlich 300 bis 360 Mitarbeiter um- und auch abgebaut. Man hat dafür gesorgt, dass die richtigen Menschen am richtigen Platz waren.
Oder ein Beispiel, das ist dokumentiert auch wiederum in einer Studie: Im Mittel gibt es 34 Prozent Kündigungsschutzklagen. Das geht zum Teil bis 70 Prozent. Bei den leitenden Angestellten zum Beispiel muss man mit bis 70 Prozent Kündigungsschutzklagen rechnen.
So. Und wenn es jetzt gelingt – und das ist die positive Entwicklung, nach der Sie fragen – dass Unternehmen erkennen und sich professionell vorbereiten, indem wir das Package anständig schnüren, zum Beispiel konkret eine Out- oder New-Placement-Beratung einbauen, wertschätzend agieren etc., dadurch drücken wir die Zahl der Kündigungsschutzklagen unter zehn Prozent.
Dann ist das auch bares Geld. Dann ist das auch natürlich für das Image positiv. Dann ist das für – und jetzt komme ich auch zu dem, was Sie fragen, ja da geht es wirklich um Zukunftssicherung, also die Geschäftsfähigkeit und die Geschäftsinteressen der Zukunft zu sichern. Die Bleibenden motiviert und loyal bei der Stange zu halten. Und real Geld zu sparen.
Geropp:
Das heißt, dass auch beispielsweise manche Vorstände, die vielleicht empathisch etwas minderbemittelt sind, auf die Schiene einschwenken, ganz einfach weil sie sagen aus wirtschaftlichen Erwägungen macht das alles Sinn.
Andrzejewski:
Ja. Die Herrschaften, die Sie ansprechen haben entweder durch kollegialen Austausch von Kollegen oder auch selber am eigenen Leib erfahren müssen, dass zum Beispiel Verzögerungen in den Verhandlungen, die Eskalationen über die Arbeitsgerichte mit (Gütetermin anderthalb Jahre, zwei Jahre dauern können, bis dieser einzelne Fall entschieden wird. Das alles kostet unglaublich viel Geld.
Oder dass auch der Abgang von Leistungsträgern – das war ein Zukunftsträger bei uns, ja? – der dann sagt
„Tu ich mir nicht an, ich mach die Fliege. So wie man hier mit den Menschen umgeht – ich bin weg.“
Da kostet allein der Ersatz eines Leistungsträgers irgendetwas zwischen 30.000 oder vielleicht 70.000 Euro, je nach Position.
In der Unternehmensführung beginnt man zu erkennen, dass man sich das nicht leisten sollte. Gerade wenn es um wirtschaftliche Aspekte geht, also Profitabilität zu steigern, Erträge zu steigern, dann kann man nicht noch zusätzlich Geld verbrennen, oder Geld zum Fenster heraus zu werfen, indem man die Trennung unprofessionell gestaltet. Es geht auch um die Arbeitgebermarke, es geht um Sicherung der Geschäftsinteressen.
Geropp:
Herr Andrzejewski, ich möchte mich herzlichst bedanken. Mir hat besonders gut bei dieser ganzen heftigen Sache rund um Trennnungsgespräche gefallen, dass wir zum Schluss zu einem Punkt gekommen sind, wo wir sagen können: Respekt und Menschlichkeit wird zukünftig immer stärker allein schon deswegen Berücksichtigung finden, weil es aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus sinnvoll ist.
Ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch Herr Andrzejewski.
Andrzejewski:
Gerne Herr Geropp. Mögen die Samenkörner aufgehen.
Das inspirierende Zitat
„Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.“
Laotse
Weiterführende Links
- Webseite von Laurenz Andrzejewksi
- Der erst Teil meines Interviews mit Laurenz Andrzejewski
- Tipps für Kündigungsgespräche
- Das Buch: „Trennungskultur und Mitarbeiterbindung“ von
Laurenz Andrzejewski und Hermann Refisch
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